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Harald Birgfeld, Webseite seit 1987/ Website since 1987

 

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Auf der Flucht

 

Auf der Flucht vor dem Regime,

vor Terror, Angst, Zerstörung,

Mord und Vergewaltigung,

trat unser Hunderttausendfüßler, Menschenwurm,

den Weg durch fremde, weit entfernte

nie gesehne Länder an.

Wir waren nur die Vorhut.

Viele ließen wir zurück,

die aber hatten uns gedrängt zu gehen.

Zukunft und Vergangenheit begleiteten als

Denken enger Wünsche unsren Marsch durch

Regen und durch Kälte.

 

„Weiter, weiter“ hieß es und wir trieben uns,

mal bäuchlings kriechend

unter frisch verlegte von uns hochgezerrte

Drahtverhaue, Gitterwände, über Stacheldraht,

dann stießen, schleppten wir uns über

knöcheltief mit Schlamm bedeckte

Trampelpfade, mit den Wenigkeiten unsrer Habe,

andere mit Leben im Gepäck.

Wir aßen und wir tranken, was uns Fremde gaben,

was wir früher selber Armen spendeten.

 

 

 

Wir schliefen unter freiem Himmel,

und in unsren Ohren war viel Kinderweinen.

Wir verrichteten die Notdurft auch im Freien.

Alles das ist nun Erinnerung und Ankerstein

in meinem Kopf.

 

So sagte mir die Frau, die,

angekommen, einen Schatz in Händen hielt,

den wollte sie verkaufen.

Mir war er nichts wert, doch sie war außer sich,

weil die Bewahrung bis hierher, ihr

Rettung, Sicherheit versprochen hatte.

Das gestand sie mir.

 

Dann aber ging sie langsam fort.

Ich sah ihr nach.

Die Augen blieben viel zu lange an ihr hängen.

Nein, ich hätte sie auch niemals um ihr Heiligstes

gebracht.

Da drehte sie sich um und kam zurück:

„Ich schenk dir meinen Traum vom neuen

Heil.

Wenn es mir schon kein Glück bereitet,

soll es dich, nur wenn du willst, begleiten“.

Dabei legte sie das Päckchen vorsichtig in meine

Hände.

 

 

 

Unsre Sprachen waren dabei stumm,

Wir redeten in Gesten,

die sich gleich verstanden,

und es war ihr Blick, die Lider, die sich senkten,

der mich ohne jede

Abwehr sie in meine Arme nehmen ließ.

 

Sie litt, und beide waren wir nicht frei,

doch wurde uns in diesem Augenblick

Gemeinsamkeit zur neuen Wirklichkeit,

ihr Gastland wurde mir zum Ankunftsland.

 

Es war nicht richtig, was wir taten,

ich, als die Willkommenshand, hielt sie,

vielleicht für immer, fest in meinen Armen,

sie, als Flüchtling, war nicht registriert.

Doch wer, der auf der Flucht ist,

Kommt schon pünktlich an.

 

 

 

Harald Birgfeld aus: Großes Liebestestament

Copyright 2017 beim Autor, Harald Birgfeld.