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Harald Birgfeld, Webseite seit 1987/ Website since 1987

 

Bestseller: Zeit, was ist das“, ausschnittsweise veröffentlicht in

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2023 „Leitsterne und Irrlichter“, 2023 „Klarheit“ und 2024 „Präsenz“.

 

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Mann aus Blech und Plastikfrau

Ein dramatisches Bühnenstück in drei Akten

Glaube - Liebe – Hoffnung

         

Harald Birgfeld

 

Vorhang mit Text

 

 

 

Ein dramatisches Bühnenstück in drei Akten

Glaube - Liebe – Hoffnung

             

Harald Birgfeld

 

 

Copyright 2019 beim Autor, Harald Birgfeld, alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Veröffentlichung darf ohne schriftliche Erlaubnis des Herausgebers, Harald Birgfeld, reproduziert werden. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Verfilmung und Einspeicherung sowie Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Herausgeber, Autor, Redakteur: Harald Birgfeld, e-mail:.    Harald.Birgfeld@t-online.de

 

© 2019

 

 

In dem Stück kommen vor:

 

Ein Ehepaar

 

 

Ein anderes Ehepaar

 

 

Eine Freundin

 

Jugendliche

 

 

 

Eine dressierte Ratte

 

Ein schwuler Postbote

 

Rezeption, Bedienung

 

Er1

Sie1

 

Sie2

Er2

 

Fr.

 

JU.

 

 

 

„Susi“

 

Post.

 

Rez.

 

Ein Mann aus Blech

Seine Frau

 

Eine Plastikfrau

Ihr Mann

 

 

 

Sehr aggressiv

erst menschlich, dann unmenschlich

 

 

 

 

 

Liedvertonungen (I und II) von Wolfgang Paust

 

 

Die Bilder in der Reihenfolge:

 

1. Akt

 

1. Bild

2. Bild

3. Bild

4. Bild

5. Bild

6. Bild

 

 

 

Kein Triumph

Begegnung und Verwirrung

Herausforderung

Bedrängnis und Befreiung

Verlockung. Ein Lied.      

Einsicht, Angst, im Park

 

2. Akt

 

1. Bild

2. Bild

3. Bild

4. Bild

5. Bild

6. Bild

 

 

 

Liebesgeständnis

Kampf um Wahrheiten

Versteinerung

Kampf der Beutetiere

Ein Kartenhaus

Erfolgloser Bote

 

3. Akt

 

1. Bild

2. Bild

 

 

 

 

 

 

3. Bild

 

 

 

4. Bild

5. Bild

6. Bild

 

 

 

Auf der Suche. Ein Lied.

Ein Kind?

Trennung?

Freundschaft?

Männerliebe?

Männerhass? Oder

Suche nach der Freiheit?

Befreiung durch Zerstörung?

Drei Träume,

1. Traum

2. Traum

3. Traum

Es soll nicht sein

Mord auf Raten

Mord oder Hilfe zum Selbstmord

 

 

 

1. Akt, 1. Bild, Kein Triumph

Monolog

Auf der Bühne die Nachbildung eines weiblichen gekreuzigten Jesu.

Er 1 , ein Mann aus Blech, tritt auf.

 

 

Er 1: Meinetwegen könnte, könnte Jesus

Weiblich sein.

Ich hätte nichts dagegen.

Was wär' einzuwenden?

Seine Leiden, seine Wunden

Würde ich nicht sehen wollen,

Sondern den Verlauf des Frauenhaars,

Das wäre lang und blond.

 

Hätt' man den Kopf der Frau, als Jesus, kahlgeschoren,

Würden meine Augen über ihren ganzen Körper fahren.

Meine Augen brennten sich in ihre Züge ein.

Sie wäre nach wie vor ans Kreuz geschlagen

Und wär voller Leiden,

Und für mich voll Leben.

 

Diese Frau als Jesus wär' für mich alleine da.

Sie wäre eine ganz besondere Besonderheit.

Es wär' nicht sie die litte, sondern ich.

Ich litte unter ihr.

In ihrem Leib könnt' ich mich wahrhaft

Wiederfinden.

 

 

Sonst wär' sie vor meinen Augen

Eine zarte Frau.

Im Wesen zart , das würde Ausdruck haben.

Ähnlich der Pieta Michelangelos,

Der Mona Lisa Leonardos.

Ja, ich weiß, es hört sich kitschig an.

Trotzdem soll man nicht denken,

Dass ich mir den Jesus weiblich wünsche,

Das wär' falsch.

Ich hätte nur dagegen gar nichts einzuwenden.

 

Manchmal denke ich zum Beispiel,

Jener Arzt, der mich behandelt,

Wäre besser eine Frau.

In der Beziehung hab' ich wenigstens an einer Stelle

Glück gehabt,

Denn jetzt bin ich bei einer Zahnärztin.

Ich glaube, sie ist Polin.

Sie behandelt mich,

Ich meine nicht nur medizinisch,

Sondern eigentlich die ganze Art

Wie sie sich um mich kümmert,

Wie sie mit mir umgeht,

 

 

Also, sie behandelt mich,

So, wie ich mich behandelt wünsche:

Sie erweckt in mir ein prickelndes Gefühl.

Es ist schwer zu beschreiben.

So ein königliches Selbstgefühl ist es.

Ich könnte mich ihr völlig überlassen.

Ein Gefühl der Selbstauslieferung ist es.

Sie weiß natürlich nichts davon.

 

Ich will es so erklären:

Sie, als meine Mörderin,

Als meine Mörderin an mir,

Hätt' leichtes Spiel.

Ich ließe mich von ihr, fast wie gelähmt,

Zu Tode quälen.

 

Der Gedanke kitzelt mich

Und schüttet eine Wohligkeit auf mich,

Die kann ich nur in Gegenwart von einer Frau

Empfinden.

Dabei ist viel Träumerei, ich weiß,

Und trotzdem reicht der Schrecken des Erwachens,

Der dahinter steht, nicht aus,

Mich in die Wirklichkeit

Zurückzuholen.

 

 

 

Eine Gruppe von Frauen tritt auf.

Alle legen sich auf den Rücken und spreizen die Beine.

Sonnenlicht fällt in ihre nackten Schenkel.

 

              Er 1    Frauen haben eine Welt in ihren Händen,

Die ich nie begreifen werde.

Diese Welt ist maßlos fern von meiner.

Und je näher sie mir steht,

Steht sie mir um so weiter weg.

 

Ich kann zum Beispiel diese Frauen nicht verstehen,

Die behaupten, dass das Leben aus dem

Weltall kommt.

Sie warten so auf Weltraumsperma.

Das soll sie befruchten.

Diese Frauen. gibt es wirklich.

Wenn ich richtig unterrichtet bin,

So wollen sie erst Frauen werden,

Aber immerhin.

Das Weltraumsperma soll in ihre Scheiden dringen.

Ist das Dummheit oder was?

 

Die Frauen treten wieder ab.

 

              Er 1    Die Dummheit, wenn es Dummheit wäre,

Stört mich nicht,

Weil ich sie nicht verstehe.

Nein, mich stört auch nicht der Glauben ins Geschehen

Oder das Vertrauen auf Unmöglichkeit.

Mich stört, so glaube ich, an diesen Frauen,

Dass sie sich so ohne weitres

Von den Männern wenden,

So, als gäbe es sie nicht.

 

Eine Nachbildung der "Dinner Party" (verkleinert) wird hereingefahren.

(Künstlerin: Judy Chicago) DINNER-PARTY, die riesige Festtafel aus

Keramik, Porzellan und Textilarbeit, an der für 39 Frauen gedeckt und an

weitere 999 mit Stickereien gedacht ist.

 

 

Dinner party

 

 

 

© Judy Chicago, The Dinner Party,  Wikimedia Commons

 

 

Er 1: Ein andres Beispiel für mein Unverständnis

Zielt auf eine Gruppe Künstlerinnen.

Deren Werk mag ich nicht sehen

Und nichts von ihm hören,

Aber es hat überrascht.

 

Um sich in dieser Männerwelt,

Wie sie bestimmt zu Recht behaupten,

Durchzusetzen,

Schufen diese Frauen, einsam und gemeinsam,

Ein aus Ton gebranntes Kunstwerk:

"Dinner Party",

Das als "Fest der tausend Frauen"

Namen aller Frauen trägt,

Von denen man inzwischen weiß,

Wie stark sie waren

Und in fremder und in eigner Sache

Kämpften und verloren,

Siegten und gewannen.

 

Dieses Kunstwerk hab'n die Frauen

Rundherum mit Kacheln schönster Formen

Ausgeschmückt

Und damit einen Tisch gedeckt.

 

Was mich nur daran stört,

Was sie entblößt und das Intimste zeigt,

Das eine Frau doch niemals ohne ihrer selbst,

Wenn überhaupt,

Der Öffentlichkeit überlassen würde, ist,

Dass diese Kacheln

Als ein metergroßes Mosaik

Entfremdeter Vaginen anzuschauen sind.

Man "isst" aus ihnen.

Das versteh' ich schon.

 

Doch bleibt mir dieses Kunstwerk unzugänglich,

Fremd, unnahbar,

Und der Zugang sollte doch natürlich sein.

Mich stört das ganz gewaltig.

Andrerseits, denk' ich,

Ist dieses Stören Absicht? Könnte sein!

 

 

 

Die Nachbildung wird hinausgefahren.

 

              Er 1    Wenn ich schon beim Gestehen bin,

Geb' ich auch zu, dass ich ein Bild,

An das ich nicht zu denken wage,

Immer wieder vor mir sehe,

Immer wieder vor mir habe.

Es steht fest in mir.

Es ist ein Schreckensbild:

Ich sehe eine ausgestreckte Hand,

Die einen abgeschlagnen Frauenkopf

Hoch in die Lüfte hebt.

 

Er packt einen Gegenstand in seiner Nähe, den er demonstrativ

hoch wie an einem Schopf in die Luft hebt.

 

 

Er 1: Es ist ein glatter Schnitt.

Doch meine Phantasie verbindet unablässig

Diesen Frauenkopf mit irgendeinem Rumpf

Und trennt ihn wieder ab,

Verbindet ihn und trennt ihn ab,

Bis ich in einem Augenblick erkenne,

Dass es sich um keinen mir bekannten Frauenkörper handelt.

Jedes Mal ist es ein anderer.

Die Phantasie ist nicht zu zügeln,

Und ich will das alles nicht.

 

Ein schlanker Körper, schmale Schultern,

Frauen, die sich bücken,

Schöne Frauennacken ganz besonders,

Mit ein wenig Flaum,

Verführen mich zu diesem Bild.

Es sind die schlimmsten Augenblicke.

Alles sehe ich genau,

Und sonderbarerweise fließt kein Tropfen Blut.

Ich seh' den Schnitt genau,

Kein Blut!

 

Das Bild, erinner' ich,

Stammt von der letzten Köpfung

Einer Bremer Mörderin.

Der wurde, sagt man,

Nicht der Kopf geschoren.

 

Ach, in meiner Phantasie empfind' ich

Keinerlei Triumph

Und keinerlei Befriedigung

Und kein Bedauern, nichts.

In mir ist alles abgestumpft,

Ein Tasten in der kalten Asche

Nach der Glut.

Vergeblich!

Monoton die Wiederholung,

Monoton der Ablauf.

Wolken sind es,

Die sich hoch am Himmel ineinanderschieben

Und sich trennen

Und erneut zusammen fügen.

Und ich selbst lang' dort hinauf

Und schieb die weißen Felder.

 

 

Pause.

 

Er 1        Ich vergaß noch ein's:

Ich bin ein Mann aus Blech, ein Mensch.

Ich wurd' als Mensch geboren,

Und ich seh' nicht anders aus als ihr,

Nur weil ihr's denkt, wenn ihr mich seht.

Ich hab' ein Herz

Und ebenso, wie jeder andere das Recht,

Doch davon später....

 

Er 1  tritt ab.

 

1. Akt, 2. Bild, Begegnung und Verwirrung

Im Büro

Er 1 / Sie 2 , eine Plastikfrau, Freundin (Fr).

Er 1  kommt auf die Frauen zu.

 

Er 1        Die Treppensteigerei ist nichts für mich.

Fr.           Zu eitel für den Fahrstuhl, oder?

Er 1        Nein, ich bin doch Fahrstuhlführer,

               Für den Notfall.

               Steht doch drinnen an der Wand.

Fr.           Ach ja, dann kann ja nichts passieren.

Er 1        Deshalb darf ich alle Treppen laufen.

               Guten Morgen erst 'mal.

Zu Sie 2 gewandt:

Sie sind also neu? Willkommen. : Eine Plastikfrau ist- selten.

Fr.           Soll ich Kaffee kochen?

 

Fr. geht.

 

Er 1        Danke, das ist gut.

 

Kleine Pause, dann zu Sie 2 :

 

 

Er 1    Sie haben eine Gänsehaut bekommen?

Oder darf ich sagen,

Ihnen sträubt sich gleich das Silberfell der Arme?

Ich bin nebenbei „Poet",

Ich schreib ein bisschen.

Sie 2 Das sieht man bei Plastikfrauen gut, nicht wahr?

Ja, guten Morgen.

Er 1    Noch ein Kompliment erlaubt, gefällig?

Sie 2 Bitte, wenn es sein muss.

 

Er 1    Muss nicht sein.

Es sind nur Ihre Augen, Ihre Haare und Ihr Nacken...

Wunderbar.

Man müsste malen können.

....schräg nach vorn' geneigter Nacken.

Klassisch!

Sie 2 Sag'n Sie nicht antik!

Ich bin noch nicht 'mal dreißig.

Sind Sie immer so charmant?

Es kommt mir vor,

Als plünderten Sie mich gehörig aus.

Sie räubern wohl an mir herum?

 

Er l     Ich stehle mit den Augen,

Das ist doch erlaubt?

Sie 2 Erlaubt ist, was gefällt.

 

 

Pause.

 

               Ich hab' Sie auch bestohlen.

Davon haben Sie noch nichts bemerkt.

Er l          Bestohlen? Wie, womit?

Sie 2       Wie Sie! Mit meinen Augen

 

Geht auf ihn zu.

 

 

Sie 2  Ihre Augenfarbe, Ihre Stimme, Sie,

         Wenn ich das sagen darf.

Ja, Sie hab' ich gestohlen.

Sie gefallen mir.

Er l    War das die erste Schlacht?

Geschlagen und entschieden?

Sie 2 Gibt es Sieger und Besiegte?

Er l    Wir bekommen gleich Kaffee.

         Ich lass' mich, wenn es sein muss,

         Gerne zum Besiegten machen.

Noch dazu von einer schönen Frau.

Ich wäre gerne Ihr Gefangener!

Sie 2 Alarm, Alarm, Gefahr! Für Sie!

Sie passen nicht mehr auf.

Er 1   Für diese Spiele gibt es keine Regeln.

Sie 2 Sagen Sie das nicht.

         Die gibt es ganz bestimmt.

Vielleicht kenn' ich nur andere als Sie.

Er 1   Ein Gegenangriff!

         Es geht schnell bei Ihnen!

Spielen Sie? Ich meine Karten, Schach?

Sie 2 Ich spiel' Gitarre, weiter nichts,

Und manchmal fahr' ich Rad.

 

Er 1   Gitarre spiel' ich auch. Zum Zeitvertreib,

         Nein, um zu träumen.

Sie 2 Wie bei mir.

Er 1   Falls wir uns weiter so sympathisch finden

         Und uns weiter Komplimente machen,

         Werden wir schnell ins Gerede kommen.

Sie 2 Das ist sicher schlecht für mich, nicht wahr...

           Und auch für Sie natürlich.

Er 1  Richtig.

         Außerdem kann man die Plänkelei

         Auf kleiner Flamme halten,

         Das wär' kein Problem.

Sie 2 Wenn's geht, wenn sich das machen lässt?

Er 1   Es muss sich machen lassen.

Wir sind doch erwachsen.

Sie 2 Eben.

Er 1   So ein Tempo bin ich nicht gewöhnt.

 

Sie 2 Das glaub' ich gerne.

         Sicher führ'n Sie eine gute Ehe,

         Haben hohe Ziele, noch viel vor.

         Karriere? Nein.

         Karriere wollen Sie nicht machen.

         Aber Ehrgeiz ist vorhanden.

Er 1   Stimmt. Ich schreibe..

Sie 2 Sagten Sie bereits.

Er 1   Ich bin davon besessen.

         Ja, ich schreib' an einer großen Sache.

         Die braucht meine ganze Zeit.

Sie 2 Und Ihren ganzen Ehrgeiz.

Er 1   Wissen Sie, ich glaube alles untersteht

         In irgendeinem größeren Zusammenhang...

         Na ja, ich meine einer höh'ren Ordnung.

Sie 2 Bilden Sie sich ein.

Er 1   Das glaube ich.

Sie 2 Und wenn sich etwas ändern soll,

         Dann nur durch eine "Fügung"

         Oder etwas ähnliches, nicht wahr?

 

 

Sie zeigt mit dem Finger nach oben.

 

Er 1        Bin ich ein Bilderbuch für Sie?

Fr.          Es gibt jetzt Kaffee. Kommt.

 

Sie stellt den Kaffe hin und geht noch einmal hinaus.

 

Er 1        Ich tret' den Rückzug an.

Sie 2       Das ist nicht fein.

Er 1        Sie sind doch schon auf Festland.

Sie 2       Sie doch auch.

Er 1        Sie werden plötzlich rot.

               Bis an den Haaransatz, warum?

               Jetzt seh' ich erst, wenn Sie erlauben,

               Dass ich's sage,

               Dass Sie Ihr Gesicht nicht schminken.

               Aus Prinzip?

               Sie haben's aber auch nicht nötig.

Ihre Haare sind ein Bilderrahmen. Schön!

Sie stehen fest auf Ihren Schultern.

 

Sie 2 holt einen Spiegel aus der Tasche und betrachtet sich darin.

 

Er 1        Sie sind doch eitel.

 

Sie 2 beugt sich etwas vor, dass er ihr in den Ausschnitt sehen kann.

 

Sie 2       Diese Schlacht ist keine Schlacht für Sie.

Er 1        Es fällt mir immer schwerer, Ihnen ins Gesicht zu blicken,

               Oder soll ich raten,

          Wo die Wurzeln Ihrer Röte enden.

 

Sie 2 guckt selbst in den Ausschnitt, ohne ihn verschließen zu wollen.

 

Sie 2       Schminke nehm' ich nie.

Fr.           Was ist denn los!

               Wollt ihr bedient sein?

               Guckt euch bitte nicht bereits am ersten Tag

               So tief in's Äugelein.

               Das gibt sich wieder.

               Das kommt täglich tausendmal

               In tausend Zimmern vor.

          Und nach 'ner Woche kräht kein Hahn danach.

          Erfahrung, Leute. Nur Erfahrung.

          Asche bleibt.

          Nichts weiter als ein wenig Asche,

          Die ist kalt.

Nun trinkt, sonst wird der Kaffee kalt.

 

Ein Telefon klingelt.

Fr. geht an den Apparat. Es geht um geschäftliche Dinge.

 

 

Er 1   Ich müsste mich vielleicht entschuldigen?

Sie 2  Bei mir? Wofür, warum?

Er 1   Ich hab' Sie eben wirklich viel zu lange angesehen.

Sie 2 Finden Sie?

Sie haben sich vielleicht 'was ausgemalt?

Er 1   Im Grunde bin ich hier

         Um Sie ein wenig einzuweisen.

         Ja, ich wollte Ihnen Ihre neue Arbeit zeigen

         Und erklären.

  Das ist mein Job.

         Wenn Sie 'was wissen wollen,

         Können Sie mich immer fragen.

Unterschriften kriegen Sie von mir.

Dann kommen Sie nach unten.

Übrigens, wir sollten wirklich

Nicht so locker miteinander reden.

 

Sie 2  Wieder Angst?

Er 1   Hier haben Wände Ohren.

Jeder möchte über jeden etwas sagen können,

Und das muss nicht sein.

Sie 2 Ist das Erfahrung

         Oder nur Befürchtung.

Er 1  Beides.

Sie 2 Ihre Augen, Ihre Stimme...

Daran werde ich mich erst gewöhnen müssen.

Er 1   Sie verwirren mich.

Sie machen mich zum Trottel vor mir selbst.

Ich muss mich schämen.

Nun, ich werde mich zusammenreißen,

Und in einer Woche werden wir uns nicht mehr

In die Augen blicken wollen.

 

Sie 2 Sind Sie sicher?

Er 1   Man kann Abstand halten.

         Darf ich etwas sagen?

Sie 2 Bitte.

Er 1   Sie und ich, das weiß ich und das

wissen Sie..

Verstehen Sie...

Sie haben Ihren Mann

Und ich hab' meine Frau... da kann...

Sie 2 Was kann...

Er 1   Man darf doch nicht...

Sie 2 Man darf?

Er 1   Sie legen einen Keim in meinen Kopf,

         Dass mir ganz schwindlig wird.

Der zündet als die Explosion nach innen.

Sie 2      Sie vergessen mich dabei.

 

 

Er 1  steht auf und geht.

 

Fr            Was ist nun mit dem Kaffee?

               Bleibt der wieder steh'n?

 

1. Akt, 3. Bild, Herausforderung

Im Büro, Er 1 / Sie 2

Sie 2 am Schreibtisch, mit einem kleinen Radio auf dem Tisch,

ein Buch und eine angefangene Schreibarbeit.

Er 1  vor ihr auf dem Besucherstuhl.

 

 

Sie 2      Ist das hier immer so?

Er 1       Wir sind im Sommerloch.

Das kann noch Wochen dauern.

Dann ist hier nichts los.

Sie 2      Und drehen "Däumchen"?

Er 1       Oder unterhalten uns.

Sie 2      Und dafür werden wir bezahlt?

  Na, mir soll's recht sein.

Er 1       Ich erleb' es nun das siebte Jahr.

Im Herbst und Winter ist das anders.

Dann verlangt man wieder viel von uns.

Das hängt von Dingen ab,

Die wir nicht kennen.

Haben Sie studiert?

Sie 2      Warum? Ist auch egal. Hab'

abgebrochen.

Ja, ich hab' studiert.

Er 1       Und Kinder?

Sie 2      Keine! Ihre will ich nicht erst wissen.

Nach dem Vorexamen.

Er 1        Ich bin immer auf der Lauer nach

dem Denkbaren,

Vielleicht ergibt sich daraus Undenkbares.

 

Sie 2      Ach.

Ein Beispiel für das Undenkbare gibt es nicht?

Natürlich nicht. Sonst wär's ja denkbar.

Er 1       Sonderpunkt für Sie.

Sie 2      Das "Kleine Einmaleins"!

  Ich sag' es Ihnen:

Alles, was wir reden, reden wir an uns vorbei.

Sie meinen nicht, das Undenkbare denken,

Sondern, denken, bis es nicht mehr weitergeht.

Sie denken dann an uns, an mich und sich.

Sie denken über Möglichkeiten

Für uns beide nach.

Sie kommen aber nur an einen Punkt.

Dort steht ein großes Halteschild bei Ihnen,

Und Sie wissen nicht,

Wie's weitergehen könnte.

Dabei geht es immer weiter, immer wieder weiter!

Meine Antwort:

Undenkbares gibt es nicht.

 

Er 1       Ich bin gefangen!

  Gut, ich gebe mich gefangen!

Sie 2      Nein, Sie sitzen in der eignen Falle.

Er 1       Mag schon sein.

Sie 2      Sie springen immer wieder in

denselben

Kasten mit vier Wänden, einem Boden.

Und wenn Sie hineingesprungen sind,

Fällt noch der Deckel zu

Und plumps sind Sie im Dunkeln.

Kommen Sie mal her zu mir, hier her,

Und stell'n Sie sich auf dieses Feld.

 

 

Von oben kommt ein Kasten mit vier Wänden herunter, der ihn ganz umschließt.

Sie nimmt schnell einen Deckel und legt ihn oben drauf.

 

Sie 2       Kapiert!?

Jetzt könn'n Sie klopfen.

 

Er1  klopft von innen gegen den Kasten.

 

Sie 2       Statt ihn zu zertrümmern!

               Statt ihn zu zerschlagen!

Er 1        Der ist viel zu eng'. Das ist ja gar nicht möglich!

               Geben Sie mir Werkzeug,

               Oder lassen Sie mich wieder 'raus'.

               Es ist so eng hier drinnen!

Sie 2       Typisches Produkt totaler Hörigkeit.

  Sie sollten endlich einmal irgendetwas

Nur für sich entscheiden! Nur für sich.

Nicht immer so, wie Sie wohl meinen, dass es andre gerne hätten. 

Er 1         Denken Sie nicht an sich selber?

An sich selbst zuerst?

Ich hab' noch so viel vor.

Ich müsste….

Sie 2       Ja, Sie müssen, müssen, müssen

Immer müssen Sie und Ihresgleichen

Schnell noch irgendetwas machen.

Alles müssen Sie!

Sie müssen Ihren "Lieben Gott", ich weiß nicht was..

Sie müssen die Familie, Ihre Frau,

Sie müssen Ihre Schreiberei ...

Sie müssen immer schnell noch etwas machen.

Alles ist nur vorgeschoben!

Gar nichts müssen Sie!

Das muss doch 'mal in Ihren Kopf!

               Sie machen sich zum Daueropfer Ihrer selbst!

 

Sehr traurig.

 

Sie 2       Ich sehe das mit Schmerzen.

Ja, mit Schmerzen,

Und ich finde das sehr schlimm.

Ich finde es auch schlimm,

Dass Sie mir immer Recht zu geben suchen.

Meine Argumente machen Sie ja fast zu Ihren eignen!

Wo sind Sie, wo ist Ihr Standpunkt!

Er 1        Aua, jetzt hab' ich mir einen Splitter In die Hand gejagt.

Sie 2       Ein körperlicher Schmerz tut immer gut.

Ich glaub' es aber nicht.

Ist alles einstudierte monotone Litanei.

Er 1 Das geht zu weit. Ich will hier 'raus! 

Sie sind genauso angepasst wie ich!

Wir sind doch alle handgestrickt:

"Ein Schlicht ein Kraus", mehr nicht.

Kein Muster, keine Farbe.

Gar nichts ist erlaubt.

 

Er1  klopft wieder.

 

 

Er 1       Ich will nun 'raus!

Sie 2      Dann schlagen Sie den Kasten doch kaputt!

Er 1       Ich hab' es doch gesagt, es geht nicht!

Sie 2      Doch, es gäbe eine Möglichkeit.

              Die könnte Ihnen eine ungeheure,

              Völlig neue Freiheit bringen.

Er 1       Welche?

Sie 2      Freiheit oder Möglichkeit?

Er 1        Ist das ein Unterschied?

Sie 2       Auf beides müssen Sie von selber kommen.

              Sagen Sie, wie frei Sie sind.

Er 1        Das seh'n Sie doch.

Sie 2       Im Kasten sind Sie ganz genauso frei

              Wie ohne ihn.

Er 1        Ich komm' nicht 'drauf!

              Seit ich Sie kenne,

              Denk’ ich dauernd über eine neue Freiheit nach.

              Was kommt heraus?

              Nur dies, nur eins:

Von Ihnen bin ich nicht mehr frei!

 

Sie 2       Dann geht es Ihnen so wie mir.

So geht’s mir nämlich seit dem ersten Augenblick.

Er 1        Ich kämpf’ mit einer Unfreiheit,

              Die macht mir schwer zu schaffen.

Sie 2       Wissen Sie denn,

Ob Sie vorher wirklich freier waren?

Wissen Sie, wie frei Sie vorher waren?

Er 1        Ich geb alles zu.

Sie bringen mich an einen Punkt,

An dem ich mich ergeben möchte.

Sie 2       Sagen Sie doch gleich,

Dass Sie erst wissen wollen,

Ob es sich auch lohnt!

Wer soll die Antwort wissen.

Klopfen Sie auf Holz, das reicht.

Es ist genügend Holz in Ihrer Nähe.

 

 

 

Sie öffnet den Kasten und lässt ihn heraus.

 

Er 1        Das war höchste Zeit.

Sie 2       Sie woll'n „auf Nummer Sicher" geh'n?

Und trotzdem reißen Sie nicht eine Ihrer Brücken ab.

Er 1        Zerstör'n geht schnell.

Sie 2       Ein großer Irrtum.

               Es geht sehr, sehr langsam,

Und ganz plötzlich

Ist die Zeit dafür vorbei.

Gelegenheit verpasst!

Er 1        Sie wissen doch, wie schnell die Sympathie

               An ihre Grenze stößt,

Und wo es nicht mehr weiter geht.

Sie 2       Warum nicht weiter geht?

Er 1        Wenn es an mir liegt,

   Bitte ich Sie um Entschuldigung.

 

Er1  lacht plötzlich auf.

 

Er 1        Ich hab' in meinem Horoskop gelesen:

"Hände weg vom Löwen,

Der ist Gift für einen Skorpion".

Sie 2       Sie sprechen sicher von uns beiden, ja?

Natürlich! Und Sie haben recht!

 

Ganz keck!

 

Sie 2       Ich bin ein Sommerkind,

Sie sind im Herbst geboren.

Dieses Mal werd' ich nicht rot.

Das weiß ich, weil ich mich nicht schäme,

Weil ich etwas sagen will,

Was Sie ja doch nicht sagen.

Hören Sie, ich liebe Sie, ich liebe Sie.

Ich weiß, das ist verrückt.

Ich kann und will mich nicht dagegen wehren.

Nein, von meiner Liebe lass' ich nicht.

 

Ganz schnell.

 

Sie 2       Ich habe auch ein Horoskop.

 

Sie kramt in ihrer Handtasche

 

Sie 2       Hier ist der Ausschnitt.

Lesen Sie. Sie sollen selber lesen,

Was man für die Löwin schreibt:

 

Er 1  liest.

 

Er 1        "Der Skorpion ist Ihnen wie ein Dolch

In Ihrer Wunde,

Der sticht fort und fort."

Die Warnung find' ich gut.

Ich denke dabei auch an Ihren Mann.

Sie 2       Den könn'n Sie ganz und gar vergessen!

               Sonst gibt's nichts zu sagen?

Er 1 Meine Frau!

Betrug kommt nicht in Frage.

Sie 2       Ist doch schon geschehen.

               In Gedanken, oder nicht?

Er 1        Mag sein. Trotzdem ist das ein Unterschied.

              Ich denk' an meine Dichtung.

Die darf ich um keinen Preis der Welt

               Von irgendetwas stören oder unterbrechen lassen.

Sie 2       Ihren Gott nicht zu vergessen!

               Denken Sie an Ihren Gott,

               An dieses Schwert da oben.

Fürchten Sie nicht, dass es niederfällt, Sie trifft?

In Wahrheit glauben Sie doch nichts von all dem.

            Einfach Angst! Sie haben Angst, Sie könnten eine Kleinigkeit

            Von dem verlieren, was Sie jetzt besitzen.

Er 1        Sind denn alle nicht in Seiner Hand? Wir alle?

 

Sie 2 lacht auf.

 

Sie 2       Einen Dreck sind wir, bist du!

               Du hörst, jetzt duz’ ich dich.

               Begreifst du denn noch immer nicht?

               Sieh dich doch um.

Muss man dich erst in einen Eisenkasten setzen?

Du versuchst, es selbst den Unsichtbaren

Recht zu machen..

Das gelingt dir nicht. Niemals.

Denk' einmal nur an dich, an uns, an mich.

Ich liebe dich.

Sag' mir, dass du mich liebst.

Sag' es zu mir, sag's mir,

Sag' es doch bitte.

 

Er 1         Meine Kehle ist wie zugeschnürt.

          Mein Herz schlägt... fass' nur an...

 

Sie 2 legt die Hand auf seine Brust.

 

Er 1        Es warnt mich unermüdlich,

            Und ich achte nur auf deinen Mund.

 

Er 1  küsst sie.

 

Er 1        Jetzt steigt die Röte wieder auf.

          Ja, du bist schön, du...

Sie 2       Rede nicht, es ist genug.

Er 1        Du bist so groß wie ich.

Vielleicht noch eins, zwei Zentimeter größer.

Sie 2       Stört es dich?

Er 1        Dein Haar riecht gut.

               Nein, stört mich nicht.

Sie 2       Sei nicht so grob.

Er 1        Ich lass dich ja schon sein.

Sie 2       So war es nicht gemeint.

               Nun sei nicht so verlegen.

               Bist du so verwirrt?

Er 1        In meinem Kopf ist keine Ordnung mehr.

               In meinem Kopf ist keine Ordnung mehr!

               Du solltest lieber geh’n.

               Das wäre besser.

 

Sie 2 geht hinaus. Beide sind nun an getrennten Plätzen,

und ein Vorhang wird zwischen ihnen niedergelassen,

so dass sie wie in getrennten Zimmern sind.

Sie 2 ruft ihn sofort an.

 

Sie 2       Hallo?

Er 1        Kannst du fliegen?

Du bist außer Atem. Sage nichts. Sag' nichts,

Dein Atem ist genug.

 

Er 1 legt auf.

Sie 2 wird ausgeblendet.

Nur das Geräusch des Atems.

 

Er 1        Ja, ich bin verliebt! Verliebt in sie! Verliebt, verliebt

Wie alt ich bin. Bin ich zu alt?

Wir richten uns zugrunde?

Trotzdem wär ich ein Idiot,

Wenn ich die Liebe nicht empfinden würde.

Darf ich mich denn nicht auf mich besinnen?

Habe ich kein Recht auf Glück,

Ein bisschen neues Glück?

Nur weil ich mich an tausend Enden

Eingebunden habe?

Habe ich kein Recht auf dieses Hochgefühl,

Weil ich nicht darauf vorbereitet bin?

Darf ich nicht lieben?

Es ist mir egal, was daraus wird.

Ich kann dies Glück noch gar nicht fassen.

Ja, ich liebe sie,

Und sie liebt mich.

Wer kennt den Maßstab für das Glück?

 

Er1 drückt das ganze Telefon an seine Brust.

Das klingelt und klingelt.

 

1. Akt, 4. Bild "Bedrängnis und Befreiung"

Im Büro

Er 1 sitzt im Büro in einer Glasvitrine, die ist wohnlich eingerichtet.

An der Vitrine fehlt aber jede Tür. Kein Zugang zu dem Ding.

Er 1 schreibt.

Sie 2 kommt herein.

 

Sie 2       Das ist ein Fortschritt.

               Gratuliere, welch ein Fortschritt,

               Weil Sie jetzt nach draußen sehen können.

Er 1        Fortschritt? Ja, in meinem Sinn ist es ein :Fortschritt.

               Seh'n Sie richtig hin!

Sie 2       Ich seh' Sie gut.

Er 1        Ich freu' mich, dass Sie mich gut seh'n.

Sie 2       Sie schreiben? Was?

Er 1        Ich mache Schularbeiten.

Sie 2    Schularbeiten?

Er 1        Ich mach' eine Strafarbeit.

               Ich schreibe tausendmal:

               "Ich will jetzt immer artig sein".

Sie 2       Wie süß, wie brav.

               Ich möchte helfen.

               Wie kommt man hinein?

Er 1        Das ist mein Fortschritt.

               Türen gibt es nicht.

               Die Wände sind aus festem Glas.

               Das schlagen Sie nicht ein.

               Das kann man nicht zerstören.

Sie 2       Und wie bist du selbst hineingekommen?

 

Er1 schreckt hoch.

 

Er 1        Das weiß ich doch nicht.

               Ich habe mich hier drinnen vorgefunden.

Sie 2       Oh!

 

Sie 2 entdeckt eine kleine Klappe.

 

Sie 2       Bist du durch dieses kleine Loch...?

               Das kann nicht sein.

               Das ist grad' groß genug für meine Hand.

 

Sie 2 steckt die Hand hinein.

 

Er 1        Das sollst du nicht.

 

Er 1 ergreift ihre Hand, die sie ihm überlässt und küsst ihre Innenfläche.

 

Er 1        Ein Trinkgefäß voll Milch und Honig.

Sie 2       Nichts ist drin, das weißt du ganz genau.

Er 1        Ich weiß es besser und du auch.

Sie 2       Man findet immer, was man sucht.

               Komm' 'raus, du Lieber, komm.

Er 1        Ich kann nicht kommen.

               Nein, ich kann es nicht.

 

Er 1  legt seinen Mund an eine Vitrinenwand, und

Sie 2 legt von außen ihren Mund dagegen.

 

Er 1        Mund aus Fleisch am Rand aus Glas.

               Treppauf, treppab,

               Treppauf, treppab.

               Lehn' deine Stirn an' s Glas.

               Ich möcht' sie küssen.

 

Sie 2 macht es.

 

Sie 2       Wir, die Balken,

               Die ein Strudel mit sich reißt...

Er 1        Er zieht uns nicht hinab.

Sie 2       Wir dreh'n uns auf der Stelle,

               Auf der Oberfläche.

Er 1        Jeder muss sich von dem anderen befrein.

Sie 2       Das will ich nicht.

Er 1        Dann komm' herein.

               Du weißt ja, wie!

Sie 2       Woher soll ich das wissen?

Er 1        Hast es mir doch selbst gesagt!

          Zerschlag das Holz, hast du gesagt.

          Ich sage jetzt, zerschlag' das Glas.

          Du darfst dir sogar Werkzeug, Hilfe holen.

          Hol' dir, was du willst.

          Das Glas ist Panzerglas,

          Das hält noch lange stand.

          Es wird nicht einfach sein.

 

Er1 lässt sie los.

 

Sie 2       Lass mich nicht los.

               Wir haben nur die kleine Tür für uns.

Er 1        Die reicht nicht für ein ganzes Leben.

Sie 2       Du bist ungerecht.

               Du bist unmenschlich.

 

Sie 2 zieht ihren Arm heraus.

 

Sie 2       Warum quälst du mich.

Er 1        Wie soll ich hier heraus!

          Warum bin ich so schwach.

          Ich wehr' mich gegen deine Liebe.

          Ich versteh' mich nicht.

          Ich bin ein Idiot, ein Idiot.

          Sieh her!

 

Er 1 wirft Zettel in die Luft.

 

 

Sie 2 Was sind denn das für Zettel?

Er 1   Alles Beileidstelegramme.

         Rate 'mal von wem.

         Du weißt es nicht.

          Die schickt mir die Familie, wenn ich schreibe!

         Er liest daraus vor.

         Hier: Vergiss die Schreiberei.

         Sie bringt nichts ein.

         Sie sind dein Egotrip.

Den können sich die anderen nicht leisten!

         Oder hier:

         Gib deine Faulheit auf.

         Komm' 'raus. Es gibt genug zu tun.

         Und hier:

         Vielleicht in hundert Jahren

         Hast du 'was davon.

         Wir leben aber jetzt.

Und ich? Wann lebe ich?

Leb' ich in Faulheit, Hohn und Drückebergerei?

Die wissen überhaupt nicht, was ich mache.

Sie 2 Und, was machst du?

         Kannst du's nicht erklären?

 

Er 1   Weißt du das denn nicht?

         Ich schaff' Gedanken.

         Ja, ich schaff' Gedanken, und die schreib' ich auf.

Sie 2 Warum, lass doch das Schreiben sein.

         Gib's auf.

         Denk' lieber über deine Freiheit nach.

Er 1   Du meinst, ob ich Zuhause auch zuhause bin?

         Du meinst, ich dächte nur an meinen Gott?

         Ich hätte Angst, dass der sein Schwert auf mich

         Gerichtet hält?

         Nein. Solche Schwerter richtet man nur selbst auf sich.

         Ich bin ein eitler Dichter, eitel, ja.

         Ich schmiede mir mein Schwert allein.

         Das häng' ich über meinem Schreibtisch auf.

         Das richte ich direkt auf mich:

         Es sind die eignen Worte,

         Die Gedanken, die ich schaffe.

         Die bedrohen mich.

 

Sie 2 Du drohst dir mit dir selbst.

         Das ist ja diabolisch.

Er 1   Ich bedrohe mich mit mir.

         So macht es jeder Dichter.

         Seine Waffe ist auf seinen Kopf gerichtet,

         Und er rechnet täglich, stündlich

         Mit der Tötung.

Sie 2 Durch sich selbst. Wie praktisch.

Er 1   So treibt er sich an, zu schreiben,

         Und verletzt sich dabei dauernd schwer.

Sie 2 Und lässt sich nicht gesunden?

 

 

Sie 2 wird langsam wütend.

 

Sie 2       Mach' nur weiter so.

Er 1        Seine Worte sind nicht Schwerter.

Sie 2       Das wär viel zu harmlos.

Er 1        Nein, sie sind ein Fallbeil,

          Das im Gegensatz zu einem echten,

          Dauernd niederfällt.

          Es steht im Blutbad einer Dauerköpferei

          An einer einzigen Person.

          Es steht und steht nicht still.

Sie 2       Ja, ich verstehe:

          Dieser Käfig, dieser Kasten, diese Glasvitrine

          Soll dich vor Befreiung schützen.

          Ist es so?

Er 1        Es ist so eng hier drinnen.

               Trotzdem ist dies meine Welt.

 

Er hängt ein Schild an die Glaswand:

 

 

Er 1 Sieh her. Dies Schild verbietet jedem

       Einzutreten.

       Es wird gar nichts nützen.

       Ich kann sagen, was ich will:

       "Kein Eintritt", "Stört mich nicht",

       "Ich will allein sein".

       Kein Mensch kümmert sich darum.

       Und andrerseits, verfluchter Widersinn:

       Wenn man mich endlich mal in Ruhe ließe,

       Wär's mir auch nicht recht.

       Ich läg' mit meinen Ohren an der Wand

       Und würd' nach draußen lauschen,

       In die andre Welt.

       Ich hätte sofort Angst,

       Man würde mich vergessen.

       Vor'm Vergessenwerden hab' ich Angst.

Sie 2 Wie kommt man denn zu dir?

       Du lässt ja keinen rein.

       Du lässt ja keinen an dich 'ran.

       Ich würd' dich auch in Ruhe lassen können.

       Manchmal reicht es aus, an dich zu denken.

Er 1 Jeder Dichter ist ein Tänzer auf dem Seil,

       Den darf man nie im Schaffen stören.

       Nicht 'mal in Gedanken,

       Weil das als ein Zerren an dem Faden aufgenommen wird.

 

Das kann ihn stürzen lassen.

Schwankend ist sein Leben ohnehin,

Und pausenlos wird er zu Fall gebracht.

Er schlägt sich unsichtbare Wunden,

Die erkennt er selber kaum,

Die kennt kein Mensch.

Sie 2 Du zeigst sie mir ja nicht.

       Ich glaube auch, du willst nicht,

       Dass sie heilen.

       Andre Menschen leiden auch.

       Zum Beispiel unter dir,

       Du lässt sie leiden.

       Wünsch dir doch ein Schloss

       Mit Personal und Dienerschaft

       Und Reichtum.

       Wär' das nichts für dich?

       Wär' das nicht besser, als die Glasvitrine?

Er 1 Nein, es gibt nichts als Ersatz,

       Weil es ein Zustand ist.

       Das ist ja grad' der Widerspruch.

       Denn, was mich auf der einen Seite stört,

       Brauch' ich im Rücken,

       Dass ich weiß, ich lebe.

 

Sie 2 Eines Tages hat es dir die Kehle zugeschnürt.

       Aus allem redest du dich gut heraus.

       Du findest immer eine andere Entschuldigung,

       Und alles spricht für dich.

       Er zieht sich nackend aus.

       Seine Haut ist ganz aus Metall.

Sie 2 Was wird denn das?

Er 1 Ich denke manchmal, dass ich fliehen sollte.

Sie 2 Zieh' dich wieder an.

       Du hast ja nichts am Leib.

Er 1 Das wäre alles, was ich mit mir nehmen könnte.

       Das wollt' ich dir zeigen.

       Wovon soll ich überleben?

 

 

Er 1 zieht sich wieder an. Dann sarkastisch, ironisch.

 

 

Er 1 Nein, da geh ich lieber gleich den Weg

       Des ganz Gerechten.

Sie 2 Eine andre Art der Flucht vor dir?

Er 1 Die ganz Gerechten dürfen

       Ungerecht und eigennützig sein.

       Sie dürfen egoistisch sein.

       Der ganz Gerechte darf in allem nur

       Und an sich selber denken.

Sie 2 Du bist zu extrem.

Er 1 Du meinst, ich lebe in den eignen Exkrementen.

       Das willst du doch sagen.

       Danke, akzeptiert.

       Ich hör' die Wahrheit gerne.

Sie 2 Nimmst sie nur nicht an.

Er 1 Du hörst nicht zu.

       Ich sagte doch bereits,

       Ich brauch' das nicht, weil ich nicht fliehen werde.

       Siehst du, das ist Leben in Gerechtigkeit.

Sie 2 ...und Frieden. Hört, der Meister aller Worte

       Hat gesprochen. Amen.

 

Er 1 Überlass das Spotten mir.

       In dieser Sache bin ich viel bewanderter als du.

Sie 2 Zum Beispiel?

Er 1 Würde jemand jetzt, in diesem Augenblick,

       Mich fragen:

       "Glauben Sie an Gott?"

       Dann würd' ich nicht bekennen,

       Sondern mich verschlagen und verlegen

       In Verschämtheit sonnen.

       Siehst du, so ist die Gerechtigkeit.

       Perfekt, ein Netz.

       Es kann dir nichts passieren.

Sie 2 Gratuliere! Hast gut aufgepasst.

       Du bist schon weit gekommen.

Er 1 Ich nicht, sondern du.

       Du bist am Werk, an mir.

       Ich kann nicht unterscheiden,

       Ob du einreißt oder aufbaust.

 

 

 

Pause.

 

 

Er 1   Manchmal glaube ich sogar,

     Dass du aus einem Daueropfer einen Dauerselbstmord

     Machen willst.

     Verzeih'. Ich weiß, dass du's nicht willst.

     Es ist mir so herausgerutscht.

Sie 2 Du siehst nur dich.

     Für dich bist du der Mittelpunkt.

     Ich will es wirklich nicht. Natürlich nicht.

Er 1   Ich weiß es. Was geschieht, geschieht durch mich.

Sie 2 Allein durch dich.

Er 1   Vielleicht bist du für mich...

Sie 2 ...die einzige Gelegenheit?

     Das wolltest du doch sagen, nicht?

     Den Zwang zu schreiben,

     Solltest du gleich mit begraben.

 

Er 1   Das kannst du nicht besser wissen.

         Davon weißt du nichts.

         Ich habe zwei Jahrzehnte

         Nur auf diesen Augenblick gewartet,

         Dass sich endlich die Gedanken, die ich habe,

         Auch von mir in Worte fassen lassen,

         Dass ich sie auf einem Stück Papier

         Betrachten kann.

         Das ist, als, als wäre etwas auf die Welt gekommen.

          Das werd ich mir nicht zerstören lassen.

         Dazu hat kein Mensch das Recht.

         Das ist ein völlig eignes Leben,

         Das erst wächst.

         Ich habe es herbeigesehnt, davon geträumt,

         Im Schlaf danach geschrien.

         Schrei' immer noch deswegen.

 

Sie 2 Ich will's dir nicht nehmen.

        Mach doch einen Neuanfang mit mir.

     Wir lieben uns.

Wir wissen wenig voneinander,

Das ist gut.

Ich biet' dir viel

Und will und möchte doch nur wenig.

 

 

Sie 2 hat eine Leiter geholt, die sie an den

Rand der Vitrine stellt, um hinaufzuklettern.

 

Sie 2       Eines möcht' ich wissen,

     Ob du wirklich eingeschlossen bist.

     Ich kann's nicht glauben.

 

Sie 2 klettert hinauf und schlägt mit der flachen

Hand auf den Deckel. Der ist auch aus Glas.

 

 

Sie 2 Total verschlossen!

Richtig eingeweckt.

Wie hast du das gemacht?

Er 1   Es lohnt sich nicht,

Denn Neuanfang und Neubeginn

Verlangten viel zu viel von uns.

Sie 2 Du sollst dich nicht sofort von deiner Frau,

         Familie und Zuhause trennen.

Denkst du, dass ich das verlange?

Das möchte ich auch gar nicht.

Nein, das will ich nicht.

Dazu gibt's auch keinen Grund.

Warum auch?

 

Er 1   Wie du dir das vorstellst.

Ich komm' nicht aus dieser Glasvitrine 'raus,

Und du sprichst immerzu von Trennung,

Von ich weiß nicht, was.

Er 1   Soll ich nun hier drinnen bleiben,

           Oder nicht.

Sie 2 Kannst du sie denn verlassen?

         Könntest du?

           Wie würdest du das machen?

Er 1   Ich weiß nichts von dir, das stimmt.

           Ich weiß ja nicht 'mal, wie du lebst,

           Woran du glaubst,

           Was in dir lebt.

Sie 2 Du denkst, in der Vitrine

         Hättest du die größte Freiheit.

         Deshalb denkst du eigentlich....

         Jetzt komm' ich langsam drauf...

 

 

 

Sie 2 klettert wieder herunter.

 

Sie 2       Das ist kein Widerspruch zu dir.

Du denkst, wenn du da drinnen bleibst,

Wär' das der beste Weg

Ja, du fühlst dich in deinem Glassarg wohl!

Das ist Betrug!

Du bist dabei mich zu betrügen!

Du verrätst mich! Du verkaufst mich!

Du benutzt mich für Gedankenspiele,

Und du denkst gar nicht daran herauszukommen!

Denkst auch noch ,

So überheblich, wie du bist,

Dass ich es nicht bemerke,

Möchtest, dass ich so wie du,

Zum Schlachtvieh meiner Umwelt werde!

Ja, ich soll mich selber dazu machen!

Aber das gelingt dir nicht!

Ich hasse dich! Ich hasse dich!

 

Sie 2 läuft auf die Wandung zu. Ihre Fäuste sind erhoben.

Aber sie läuft ohne jeden Widerstand direkt hinein, als ob es Wände nie gegeben hätte,

Er 1 fängt sie liebevoll auf.

 

Er 1        Wie hast du das gemacht?

               Wie machst du das.

 

Er1  küsst sie, geht mit ihr ungehindert  aus der Vitrine und küsst sie wieder.

 

 

Er 1    Es ist ein Rätsel.

Wer kennt schon das Siegel eines Königs?

Wer kann eine Fälschung

Von dem wahren Siegel unterscheiden?

Ich hab' ein's gefunden,

Und was mach' ich nun damit?

Sie 2 Wer kennt es überhaupt?

Kein Mensch kennt mehr das Siegel eines Königs.

Keiner glaubt daran.

Warum auch.

Du bist draußen, das ist wichtig.

Er 1    Sagt das viel? Das sagt doch gar nichts.

Du bist jetzt mit mir da drinnen

Und ich bin mit dir hier draußen.

Das ist alles.

Träumen wir?

Vielleicht ist alles Traum?

Vielleicht träum' ich?

Sie 2 Du kannst ganz sicher sein.

Dass keiner von uns beiden träumt.

 

Er 1    Ich bin im All, weit draußen.

          Ja, ich bin ein Instrument, ein Roboter.

          Und jemand schickt Befehle hinterher,

          Die soll'n mich lenken,

Dabei steh ich still, steh völlig still.

Ich bin trotzdem auf Reisen.

Sie 2 Kannst du nicht heut' Abend etwas länger bleiben?

Er 1    Keine Korrektur der Bahn.

Sie 2 Du könntest, wenn du wolltest.

     Sag schon ja.

     Am Ausgang? Bitte.

     Eine Stunde nur.

Wir gehen in den Park, zum Wasser,

Oder wo du willst, es ist mir alles recht.

Er 1    Heut' Abend?

Sie 2 Ja, dass wir uns unterhalten können.

 

 

 

Ganz nah an ihn geschmiegt.

 

Sie 2       Dass wir ganz ungehört und ungestört

Versprechen geben können.

Er 1        Was denn für Versprechen.

               Wovon redest du.

Sie 2       Sag ja. Du kommst?

Er 1        Ist gut. Wir treffen uns heut' Abend.

Sie 2       Heut' ist Mittwoch. hörst du?

Er 1        Ja, warum?

 

Sie 2 ganz fröhlich.

 

Sie 2       Mein Mann hat Kursus.

               Jeden Mittwoch, jeden Mittwoch hat er Kursus.

Er 1        Du sagst das mit einer Fröhlichkeit,

               Als sollte unser Treffen kein Geheimnis bleiben.

Sie 2       Möchte ich auch nicht.

               Am liebsten möcht ich es aus dem Fenster schrein.

Er 1        Sei still, mein Gott, sei still.

               Du kriegst es fertig.

               Hoffentlich erfährt es keiner.

 

 

1. Akt, 5. Bild "Verlockung Ein Lied"

Im Park

Im Park am Wasser.

Sie 2 ist schon dort. Sommerabend, kühl.

Er 1  kommt auf sie zu.

Sie 2 denkt, dass er sie in den Arm nehmen wird, aber er weicht ihr aus.

 

Er 1        Wie die Diebe haben wir uns

               Aus dem Haus geschlichen.

Sie 2       Du vielleicht, ich nicht.

               Ich habe kein Gewissen, jedenfalls kein schlechtes.

Er 1        Es ist schön hier, eine schöne Stelle.

               Hier ist Ruhe.

               Selbst die Schiffe scheinen stillzustehen.

Sie 2       Ich bin hier, falls du mich suchst.

Er 1        Ja, du hast recht.

Ich hab' mir' s aber vorgenommen',

Dich nicht anzufassen.

Nein, ich will dich nicht berühren.

Keinen Kuss mehr, nichts.

 

Sie2 singt vor sich hin.

 

Sie 2       Er sah mir in die Augen

Und verirrte sich darin,

Drum lieb ich ihn, drum lieb ich ihn.

Es schwieg sein Mund

Nicht laut genug

Drum hört' ich ihn, drum hört' ich ihn.

Nun soll er mir noch sagen,

Nun will ich ihn fragen,

Liebst du mich, liebst du mich auch?

 

Sie2 wartet etwas auf eine Antwort.

 

Sie 2       Liebst du mich auch?

 

Sie 2       singt vor sich hin.

 

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Er 1        Mein Innenmund!

               Es ist mein Innenmund, der nach dir ruft.

Sie 2       Es wird schon dunkler. Das ist angenehm.

               Komm her zu mir.

               Lass deinen Vorsatz sein.

 

Er 1 nimmt sie in den Arm und küsst sie heftig.

 

Sie 2       Soll ich ertrinken?

Lass mich atmen, lass mich leben!

 

Sie 2 will nun auch leidenschaftlich werden, aber er bremst sie.

 

Er 1        Das war, dass du siehst,

               was ich empfinde.

Sie 2       Unter deiner Haut ist Glut,

               Das spür' ich jetzt erst richtig.

 

Neben ihnen steht eine Bank.

Sie 2 setzt sich. Er1  kniet vor ihr und legt seinen Kopf in ihren Schoß.

Sie krault ihn im Haar und beugt sich über ihn.

 

 

Sie 2       Lieber, magst du das?

Er 1         Ich hoffe, dass uns keiner sieht.

Sie 2       Hier nicht. Hier kennt uns keiner.

Er 1         Du bist liebevoll zu mir.

Das kenn' ich nicht.

Wenn du dich auf mich beugst,

Möcht ich in dir verschwinden.

Du hast Glück.

Du hast es immer gut.

Sie 2       Warum?

Er 1         Weil du dich immer bei dir hast.

Sie 2       Erzähl nicht solche Sachen.

               Du doch auch.

Er 1         Es gibt Sekunden der Erinnerung

Die wir nicht steuern können.

Jetzt zum Beispiel muss ich mir

Die eigene Erinnerung gefallen lassen.

Sie 2       Sag' mir, was es ist und wenn du willst.

 

Er 1         Erinnerung ist Überraschung, ungewollt.

Ich hab' von meiner Mutter einen Satz im Kopf

Den wollte ich nicht glauben,

Damals, als sie ihn erzählte.

Schwer zu glauben. War zu schwer zu glauben.

als sagte sie:

„Ich hab’ meine Kinder nie im Arm gehabt“,

Dabei hat sie gelacht,

"Und nie auf meinen Schoß gesetzt.

Wir hatten immer eine Kinderfrau“.

Sie 2       Wie furchtbar. Das ist schlimm.

               Sie ist dir also fremd geblieben?

Er 1         Eine flüchtige Bekannte,

               Könnt ich sagen.

Nein, nicht ganz so.

Andrerseits, wenn ich jetzt deine Hand

In meinem Nacken spüre...

Könnte sein, dass mir doch was verloren ging,

Und ganz genau genommen...

...das wär' ein Geständnis..

 

Sie 2       Wär ein Eingeständnis oder ein Geständnis?

Er 1         Nimm es, wie du willst.

Sie 2       Was willst du sagen?

Er 1         ....meine Frau, verstehst du,

               Hat in ihrem ganzen Leben nie den Arm

               Um mich gelegt.

               Die fasst mich auch nicht an.

Sie 2       Wie bitte?!

Er 1         Weißt du, was sie sagt?

Sie 2       Na?

Endet immer gleich, sagt sie.

Es endet immer gleich.

Sie meint, Berührung kann ich nicht ertragen,

Ohne dass bei mir "das Eine" daraus wird.

Natürlich hat sie letzten Endes recht.

Das sag ich auch.

Es endet schließlich immer so.

Sie 2       Und endet es mit uns auch so?

 

 

Er 1 sieht zu ihr auf. Sie 2 schaut gelangweilt den Weg hinunter.

Er1  kommt hoch und setzt sich neben sie auf die Bank.

 

Er 1        Ich suche deine Augen.

               Gibt's 'was auf dem Weg?

Langweil ich dich? Was ist mit dir.

Hast du mich nur wie deinen Hund

Im Schoß gekrault?

Sie 2       Gib deine Hand,

Nein, komm mit deinem Kopf!

Hör' auf mein Herz.

Was glaubst du, was das ist? Ganz fest, ja so.

Er 1        Es ist dein Herz.

Es schlägt, als schlüge es auf etwas drauf.

Dein Kleid ist dünn, darunter ist es weich.

Ein königliches Kissen!

Nein, das hab' ich nicht vermutet.

Das ist dir nicht anzusehen.

Hörst du's selber?

Sie 2       Es schlägt mir im Kopf.

Wenn du mich nur ein wenig liebst,

Dann sag' es mir, ich möcht' es hören.

Er 1        Deine Stimme streicht in mir

Die Kissen glatt.

Ich liebe deine Augen, deine Haut,

Den Duft der Haare.

Deine Haut ist blass.

 

Er 1 knöpft ihr das Kleid etwas auf und küsst sie dort hinein.

 

Sie 2       Noch etwas tiefer.

Er 1        Nein, es ist genug. ich knöpf es wieder zu.

               Wir sollten so zufrieden sein.

               Es ist nicht mehr erlaubt.

Sie 2       Bestimmst du das?

               Nun fangen meine Schmerzen wieder an.

 

Sie fasst sich ans Herz

 

Er 1         Was denn für Schmerzen.

Sie 2        Ja, es schmerzt.

               Das hört nur auf, wenn du mich nicht mehr quälst.

Er 1         Was kann das sein?

Sie 2        Ich sag' es doch,

               Es kommt durch dich.

 

Er 1 streichelt ihr das Haar.

 

 

Er 1       Mein Gott.

Sie 2      Es kommt, wenn ich nur an dich denk'.

Er 1       Und geht es bald vorbei?

Sie 2      Jetzt ist es besser,

              Es lässt nach.

Er 1       Wir müssen uns vergessen. Wollen!

              Wenn es so schlimm ist,

              Dann um so schneller.

Ist für beide besser.

Nein, ich wusste nicht, dass du durch mich

Noch körperliche Schmerzen kriegst.

Sie 2      Das macht nichts mehr.

Er 1       Wir dürfen uns nicht wieder treffen.

Sie 2      Soll das heißen, dass du gehen willst?

              Ich bitte dich, doch jetzt noch nicht.

 

Er 1       Es hat doch keinen Sinn.

Du weißt, dass ich nicht weitergehen kann

Und darf und will.

Ich denk' auch immerzu an deinen Mann.

Er kann ja nichts dafür.

Und trotzdem macht mich der Gedanke krank.

Wie sollte ich dich jemals lieben

Wenn ich an ihn denken muss, dass er...

...nach mir, vor mir..

Nein das ertrag ich nicht.

Das würde ich nicht einen Tag ertragen,

Keine Stunde.

Sie 2      Ist doch lächerlich.

Meinst du ich könnte deinetwegen

Wieder Jungfrau werden?

Siehst du, so ist das.

 

Er 1       Ich würde dich mit keinem teilen wollen, können.

              Nein, ich würd' dich ganz für mich verlangen.

              Es gibt tausend Gründe.

Reg' dich bitte nicht gleich auf!

Sie 2      Ich bin ganz ruhig.

Nimm dir doch ein Zimmer.

Zieh doch einfach von Zuhause aus.

Ich zieh zu dir.

Ich such' mir eine neue Arbeit.

Irgendwo, woanders. Das ist einfach.

Ich mein' s ernst. Das ist kein Spaß.

Nein, wirklich nicht.

Er 1       Ich glaub' dir ja,

              Und trotzdem geht es nicht. Nein, nie.

Sie 2      Es muss ja nicht sofort sein.

              Denk' erst drüber nach.

 

 

Sie 2 schmeichelt sich an ihn heran.

 

Sie 2       Du könntest mit mir kommen, jetzt mit mir.

Zu mir.

Er 1        Zu dir?

Sie 2       Mein Mann hat heut' doch Kursus.

               Der kommt spät.

Dann bist du einmal ganz bei mir.

Wie findst du das?

Er 1        Ich weiß nicht, was ich sagen soll.

Es ist das schönste, was du sagen konntest,

Eine zuckersüße Schmeichelei.

Ich darf nicht erst zu Ende denken.

Nein, ich weiß nicht, was ich sagen soll.

 

Sie 2 hakt sich bei ihm ein und schiebt ihn in ihre Richtung.

 

Er 1        Sei mir nicht böse,

Aber nimm die Unentschlossenheit bei mir

Noch nicht als Zeichen.

Nein, nein.

Du weißt nicht, was du da verlangst.

 

Er gibt ihr einen Kuss auf die Stirn.

 

Er 1        Du bist ein Engel,

 

Kleine Pause

 

Er 1        Der mit schwarzen Flügeln fliegt.

Ich soll in euren Betten mit dir toben,

Und nachher erfährt dein Mann davon?

Durch irgendeinen dummen Zufall?

Nein, das mach ich nicht.

Der schlägt mich tot, wenn er dahinter kommt.

Ich weiß nicht, was noch alles.

 

Sie 2 bleibt ganz ruhig.

 

Sie 2       Würd' er nicht, verlass dich drauf.

               Sei unbesorgt.

               Du kannst ganz ruhig bleiben.

Er 1        Was weißt du von deinem Mann.

               Woher willst du das wissen.

               Ich wär' fürchterlich in meiner Raserei.

Sie 2       Das ist es, was mir so an dir gefällt.

               Nun komm schon mit.

Er 1        Es blitzt aus deinen Augen.

          Ach, du denkst wohl, weil ich wütend bin,

          Hast du mich besser in der Hand.

Er 1        Ich möchte wissen, woher du den Mut

               Und deine Sicherheit bekommst.

 

Er 1 beruhigt sich wieder.

 

Er 1        Ich darf nicht an Zuhause denken.

          In der Firma dürfen wir uns

               Auch nicht wieder duzen. Das fällt auf.

Sie 2       Mir ist es gleich, was andre denken.

          Und die im Büro erfahren's sowieso.

          Ich glaub', die wissen längst Bescheid.

Er 1        Bescheid? Du hast doch nichts gesagt?

               Wie kommst du denn darauf.

Sie 2       Ich denke, dass man uns das ansieht.

               Nein, ich habe nichts erzählt. Zu wem auch.

Er 1        Das ist gut. Sei mir nicht bös'.

Ich werde gehn. Allein.

Ich kann nicht mit dir gehn. Das geht nicht.

Nein, ich bring's nicht fertig.

Weißt du, was du jetzt schon alles in mir

Angerichtet hast?

Sie 2       An mich denkst du natürlich nicht.

 

Er1  nimmt sie liebevoll in den Arm.

Eine Kirchturmuhr schlägt langsam sechs Uhr.

Sie wiegen sich im Takt hin und her.

 

Sie 2       Was denkst du, wie es in mir aussieht.

Schlägst du etwas andres, Bessres vor?

Mein Mann merkt wirklich nichts.

Und wenn er etwas merkt, ist es nicht schlimm.

 

Er 1 stößt sie von sich.

 

Er 1        Du bist total verrückt.

Warum ist es nicht schlimm,

Das kannst du doch nicht wissen.

Ich bin völlig durcheinander.

Was du sagst, sind alles Rätsel.

Die kann ich nicht lösen,

Und ich will sie auch nicht lösen.

Nein, ich will nicht mehr,

Dass wir uns wiedertreffen.

Überhaupt nicht mehr.

Ich werd' mich zwingen, nicht an dich zu denken.

Unsretwegen lass ich schon so vieles liegen,

Was ich gerne tat,

Was mir am Herzen lag.

Das ist nicht gut.

Ich muss auch immerzu dran denken,

Dass ich meiner Frau nicht untreu werden will.

Ich denke pausenlos an meine Schreiberei...

Sie 2       ...an meinen Mann..

               ...an deinen Gott..

               ... an bla, bla, bla...

               Gib's zu, du willst nicht, das ist alles.

Er 1        Was ist nachher, wenn jetzt etwas mit uns wäre?

               Nein, das geht nicht gut.

Am meisten stört mich doch dein Mann.

Ich muss jetzt geh'n.

Sie 2       Du findest also, dass du gehen musst.

 

Sie 2 verändert ihre Stimme, schlägt

sich an die Schläfen und schreit ihn an.

 

Sie 2       Du Schwein! Du liebst mich nicht:

Du liebst nur diese Quälerei an mir,

Sonst gar nichts.

Wo ist ein Beweis?!

 

Sie stampft mit den Füßen auf den Weg.

 

Er 1        Ich will das nicht.

               Nicht meinetwegen.

               Sei doch lieb. Versteh mich doch.

               Ich will dich ja. Es geht nur nicht.

               Du musst doch sehen, alles spricht dagegen.

Sie 2       Nur in deiner Phantasie vielleicht.

Er 1        Nein, wenn es wirklich einmal etwas mit uns werden soll,

               Dann arrangiert es sich von ganz alleine,

Nicht durch dich

Und nicht durch mich.

 

Sie 2 schreit nun wie eine Wahnsinnige auf.

Er reißt sie an sich.

 

Sie 2       Auch das noch, nein!

Er 1        Sei bitte still, ich bitte dich, sei still!

               Verzeih. mir.

Quäl' dich doch nicht so.

Du musst jetzt leise sein.

Ich will es wirklich nicht!

 

Sie2  beruhigt sich.

 

Er 1        Entschuldige, ich denke nur an mich.

          Vielleicht liebst du mich wirklich.

          Das könnt' ich am wenigsten verstehn.

 

Sie 2 ist jetzt ganz ruhig.

 

Sie 2       Ich atme einmal durch, das hilft.

Jetzt bin ich wieder so, wie du mich gerne hast:

Ganz sanft und ruhig. Gut so?

Er 1        Danke.

Sie 2       Gehn wir noch ein Stück zusammen?

Er 1        Wenn du willst.

Sie 2       Und merk' dir gut, dass du es weißt

               Und nie vergisst:

Ich lass von meiner Liebe nicht.

Ich werde nicht von meiner Liebe lassen.

Ja, vergiss es nicht und nie.

Und ob du sie mir glaubst, ist mir egal.

Und noch ein's:

Du brauchst nicht, nicht einen Augenblick

An meinen Mann zu denken.

Tu, als gäbe es ihn nicht für dich. Tu so.

Du weißt, dass ich ihn liebe...

 

Sie legt ihm schnell die Hand auf den Mund.

 

Sie 2       Weißt, dass ich ihn anders lieb' als dich.

Mit ihm ist es ' was anderes.

Er 1        Dass er dich liebt, ist auch 'was anderes!

               Natürlich!

Sie 2       Ja, er liebt mich eben auch.

          Es ist mit uns nicht so,

          Wie zwischen dir und mir.

Es wäre schön, wenn ihr euch gut verstehen könntet,

Und ihr hättet mich.

Ach, übrigens mag dich mein Mann gut leiden.

Er 1        Jeder deiner Sätze tötet mich!

 

Er bleibt stehen und packt sie am Arm.

 

Sie 2       Du tust mir weh! Lass los, lass los!

Er 1        Dann sprecht ihr über mich?

Sie 2       Natürlich! Lass doch los!

 

Er gibt sie frei.

 

Sie 2       Warum denn nicht.

Schon seit ich in der Firma bin,

Bist du das Thema Nummer eins bei uns.

Das Hauptgespräch...

Früh morgens, abends..

Er 1        Nein!

Sie 2       Wir haben auch dein Buch gekauft

Und lesen die Gedichte, die du schreibst.

Wir lesen jede Zeile.

Die sind schlimmer, als du denkst.

Für uns!

Wir beide mögen dich,

Und nicht so, wie du denkst.

Er 1        Wie! Wie! Wie!

Ich denk' nicht irgendwie!

Und deinen Mann willst du betrügen?!

Eben sagtest du doch noch, dass du ihn liebst

Und schmilzt dahin,

Und zwei Minuten vorher wolltest du ihn glatt

Mit mir betrügen.

Ich versteh' das nicht.

0h, Gott, wie bin ich blöde.

Sie 2       Ich betrüg' ihn nicht.

               Auf keinen Fall mit dir.

Er 1        Wo ist nur mein Verstand.

 

Plötzlich.

 

Er 1        Wieso bist du so freundlich und versöhnlich.

               Ach, ihr seid euch also einig über mich?

          Nein, ich versteh nichts mehr.

Das ist zu viel.

Wenn ich mir vorstell',

Dass der Kerl mich mögen könnte...

Ekelhaft, nein widerlich ..

Es widert mich in allem an.

Du bist für mich ein Engel, der in Flammen steht.

Bleib' hier, komm nicht mehr mit,

Ich geh' alleine weiter. Bleib'.

Dass ich dir wehtat, tut mir leid,

Ich wollt' es nicht und will es nicht.

 

Sie 2 hat wieder ihren gelangweilten Blick.

Sie guckt von ihm fort.

 

Er 1        So hast du auch vorhin geschaut.

Du siehst nach innen?

Schlägt dein Herz schon wieder bis zum Hals?

Ich kann nicht mehr.

Ich lass dich jetzt allein.

 

 

1. Akt, 6. Bild, "Einsicht, Angst"

Zuhause, im Park

Abends. Er 1 kommt nach Hause, sieht in

alle Zimmer. Steht dann vor dem

Spiegel im Flur.

 

Er 1        Schon so spät. Zum Glück ist keiner hier.

               Ein Zettel?

 

Er liest.

 

Er 1        "Kommen nicht vor sieben Uhr zurück."

Da brauch' ich nicht mit Lügen aufzuwarten.

Gott sei Dank.

 

Zu sich im Spiegel.

 

 

Er 1      Jetzt schwör' ich's dir:

Von nun an will ich mich beherrschen.

Wie ein Mann, von mir aus.

Nein, das ist ganz schlecht.

Das geht ja grade nicht.

Als Mann müsst ich ganz anders handeln.

Siehst du nicht? Das ist doch das Problem.

Ich muss den Willen haben.

Willen ganz alleine reicht schon aus.

Man muss den festen Willen haben. Müsste, müsste...

Damit könntest du sehr viel erreichen.

Merk' dir das.

 

Natürlich hat sie recht.

Es ist doch gut und richtig,

Wenn sie sich dem eignen Mann, dem sie vertraut,

Auch anvertraut.

Ich brächte das nicht fertig. Stimmt.

Ich könnte meiner Frau nicht alles sagen.

Könnt' ich nicht und wollt' ich nicht.

Aha!

Und tu es nicht, damit du's weißt.

Und seine Sympathie für mich

Kann tausend Gründe haben.

Dann noch meine Vorurteile.

Ich bin eingenommen gegen ihn.

Natürlich bin ich das.

Und sie? Ich lass' mich von ihr selbstzufrieden machen.

Ist mir alles klar.

Es ist doch schön zu wissen,

Dass sie liebt, mich liebt, sehr liebt.

 

Von mir will ich nicht reden.

Maßlos könnte alles sein,

Ja, ohne Maßen.

Dass sie mir das sagt, mir sagen kann,

In einer Ehrlichkeit,

Die brächte ich nicht auf.

Sieh dich doch an.

Ein Zimmer nehmen...

Wie sie sich das denkt...

Verführerisch ist der Gedanke...

Ein Gedanke, der verführt?

Und dann? Danach?

Auf vieles müsstest du verzichten.

Sei 'mal ehrlich. Ja, sei ehrlich.

Ob dir das bekommt?

Das würdest du doch gar nicht wollen, oder?

Möchtest alles haben und behalten.

Ja, du bist so einer.

Hättest doch am liebsten beide,

Deine Frau und diese Frau

Und die Bequemlichkeiten, wie gewohnt, natürlich.

Nur auf nichts verzichten.

Nein? nicht ganz?

Die Angst vor einem Neubeginn?

Vielleicht die Angst, dass sie dich gar nicht liebt?

Vielleicht sollst du ihr neues Spielzeug sein.

Das hat sie nicht sofort bekommen,

Und nun setzt sie ihren ganzen Ehrgeiz. ein.

Sie hat vielleicht Probleme, selbst Probleme,

Die du gar nicht kennst, nicht kennen kannst,

Und niemals lösen könntest.

 

Kann doch sein, dass sie auf Hilfe hofft, von dir,

Und du weißt nichts davon,

Nicht wie und wo du helfen solltest.

Nein, das hört sich nicht mehr so gut an, nicht wahr?

Gib's zu, gib's endlich zu:

Du liebst sie. Das ist alles.

Bist verrückt vor Liebe nach der Frau.

Das weiß sie, ja, natürlich weiß sie es.

Ich geb' dir einen Rat. Ein guter Rat von mir:

Lass deine Finger von der Frau.

Das ist ein schlechter Rat?

Kein guter Rat? Ist gar kein Rat?

Ja, ja, ja, ja ich weiß, ich weiß!!

Die Wahrheit! Ja, die Wahrheit!

Sie liebt beide: Ihren Mann und mich.

Das kann ich nicht ertragen.

Ich versteh' es nicht.

Sie liebt uns beide, ihn und mich!

Ich kann nicht teilen.

Nein, ich kann nicht teilen.

Keine Frau aus zweiter Hand!

Das wär' mein Tod!

Du siehst es: Das kommt dabei 'raus.

Vielleicht begreifst du jetzt:

Du wirst sie nie, nie, nie für dich alleine

Haben können.

Bist doch sonst so schlau. Denk' nach!

Da fällt dir nichts mehr ein?

 

 

Das Telefon klingelt. Er 1 nimmt den Hörer ab.

Sie 2 wird eingeblendet. Sie sitzt am Telefon.

 

Er 1        Ja, bitte?

Sie 2       Du, ich bin allein.

Ich weiß nicht, was ich machen soll.

Kannst du mich hören?

Er 1        Ja, natürlich. Bist du schon Zuhause?

Sie 2       Du, ich möcht' dich noch einmal sehen.

          Komm' noch 'mal. Du bist so einfach fort!

          Ich muss dir 'was erklären. Bitte, komm'.

Er 1        Was denn.

 

Er 1 hört eine Tür schlagen.

 

Er 1        Du ich kann nicht mehr.

Wir müssen aufhör'n. Meine Frau kommt heim.

Sie 2       Ich muss dich seh'n. Ich will dich sehen.

               Heute noch!

Wir treffen uns im Park, im Zentrum,

Gleich am Eingang.

Sagen wir in einer Stunde.

Er 1        Nein, das schaff' ich nicht.

               Ich hab' doch keinen Wagen. Den hat meine Frau.

Sie 2       Versuch es bitte, unbedingt.

Du, ich verlass mich drauf.

Er 1        Ich will's versuchen. Also gut, ich komme.

 

Sie 2 legt den Hörer auf und wird ausgeblendet.

Sie 1 kommt auf den Flur.

Sie 1 ist in Eile.

 

Er 1        Tag, kann ich den Wagen haben?

Sie 1       Hilf mir bitte, auszuladen.

Ich muss gleich noch einmal fort.

Kannst du nicht warten?

Wohin willst du denn?

Er 1        Ich hab' es eilig. Brauch' ihn gleich, sofort.

               Ich will zu einer Vernissage.

Sie 1       Da hast du doch noch Zeit.

Er 1        Wenn ich schon 'mal den Wagen haben will...

               Ich bin in Eile,

Will mich noch mit jemandem dort treffen..

Gut, lass sein... Ich nehm' die Bahn..

Sie 1       Wann bist du denn zurück?

Mit wem willst du dich treffen?

Er 1        Kennst du nicht.

               Du brauchst auch nicht auf mich zu warten.

 

Die Bühne dreht sich. Das Zuhause wird ausgeblendet.

Sie 2 ist im Park auf einer Bank.

Ein Fahrrad steht daneben. Sie fröstelt.

Er 1 kommt auf sie zu.

Sie bleibt lässig sitzen, mit den Armen auf der Lehne.

 

Sie 2       Dass du doch noch kommst! Hat lang' gedauert.

               Bist du mit der Bahn gekommen?

Er 1        Ja, den Wagen konnte ich nicht nehmen.

Sie 2       Hast ihn nicht bekommen!

               Deine Frau hat Krach gemacht, nicht wahr?

Bin ich dir nicht einmal das Geld

Für eine Taxe wert?

Er 1        An eine Taxe hab ich nicht gedacht.

Sie 2       Du hättest sie auch nicht genommen..

Er 1        Nein, wohl nicht.

Sie 2       Bestimmt nicht. Mir ist kalt.

Ich bin sehr bös' zu dir?

Entschuldige.

Komm, Lieber, dicht zu mir..

 

Er 1 setzt sich zu ihr und nimmt sie in die Arme.

Sie 2 rollt sich aus seinen Armen, kniet vor ihm

und legt ihren Kopf in seinen Schoß.

 

Er 1        Was machst du denn?

 

Er 1 streichelt ihr die Haare.

 

Sie 2       Ich mag es, so vor dir zu hocken,

               Wenn du mich so hältst.

Er 1        Wir bringen unsre Hände durcheinander.

Sie 2       Ich weiß über meine gut Bescheid.

Er 1        Und dabei habe ich mir ganz fest vorgenommen..

Sie 2       Ja, ich weiß.

Am liebsten würdest du mich nicht mehr sehen wollen.

Aber den Gefallen tust du dir natürlich nicht.

Und ich denk auch nicht dran.

Er 1        Dein Kopf in meinem Schoß.

               Noch nie hat eine Frau vor mir gekniet.

Sie 2       Ich baue mir ein Nest mit meinen Haaren.

Er 1        Ich denk' an ein Bild dabei:

Man sieht, wie eine Frau die langen Haare

In das Wasser eines Baches taucht.

Dann hebt sie sie mit beiden Händen an

Und geht mit ihrer Fracht, den Haaren und dem Wasser,

Auf den Rasen, dort zu einem Mann.

Dem kühlt sie mit dem Haar die Stirn.

Sie 2       Ein bisschen zu romantisch, findst du nicht?

Er 1        Das ist ein Bild, das Demut zeigen soll,

Und Liebe kann doch schnell zu Demut werden,

Oder einer Art von Demut.

Das kommt, weil du vor mir kniest.

 

Sie 2 breitet etwas spöttisch ihre Arme nach hinten aus.

 

Sie 2       Ach, Lieber, nimm mich bitte an..

               Ich geh' mit dir wohin du willst. Ich gebe mich dir hin.

               Sieh her:

               So her geb' ich mich dir.

Er 1        Ich glaub' es dir sogar.

Sie 2       Das sollst du auch.

Er 1        Du…

 

Er 1 küsst sie, und sieht dann an ihr vorbei, den Weg hinunter.

Dann amüsiert:

 

Er 1        Steh' auf, sei brav. Es kommt ein Mensch.

En Mann.

Vielleicht ist es sogar dein Mann..

Zum Glück kenn' ich ihn nicht.

 

Er 1 lacht etwas. Sie2  ist gelangweilt.

 

Sie 2       Das kann schon sein.

               Der Kursus ist um diese Zeit zu Ende.

Und er geht dann immer durch den Park.

Wir wohnen ja gleich in der Nähe.

Er 1        Das sagst du aus Spaß.

Sie 2       Das könnt' er wirklich sein. Wart' ab. Er ist gleich hier.

 

Er 1 springt hoch.

 

Sie 2       Nun wart' doch ab.

Er 1        Soll ich mich hier von ihm

Mit seiner eignen Frau erwischen lassen?

Ich versteh' dich nicht.

Ich müsste mich zu Tode schämen.

Habt ihr wirklich kein Geheimnis voreinander?

 

Er 1 geht schnell weg.

 

Sie 2       Lässt du mich nun einfach sitzen?

Bleib' doch, lauf nicht weg!

 

Er 1 kommt kurz zurück.

 

Er 1        Ich bin voll Wut auf dich, verdammt noch 'mal.

               Ich Idiot.

Ich sollte auf mich selber wütend sein.

Ich könnte heulen, dass ich auf dich reingefallen bin.

Ich könnte heulen, wenn es nicht die Wahrheit wäre.

Du und ich.., was machst du nur mit mir.

 

Er 1  läuft nun fort.

Sie 2 wird ausgeblendet.

Er 1  irrt im Park herum.

 

Er 1        Ist alles Selbstmitleid. Hast selber schuld.

 

Er schaut nach hinten.

 

Er 1        Sie kommt nicht nach.

Ich will auch gar nicht wissen,

Ob er es nun war.

Der Weg ist sicher falsch.

Ich kenn' mich überhaupt nicht aus.

Das kann noch lange dauern,

Bis ich an die Straße komm'.

Wenn ich am Ausgang bin,

Wird keine Bahn mehr fahren.

Höchstens noch ein Bus. Vielleicht.

 

Er zeigt nach oben.

 

Er 1        Du könntest dafür sorgen, dass sie alle schlafen,

Wenn ich Heim komm',

Dass sie morgen nicht mehr fragen,

Und mir die Geschichte mit der Vernissage abnehmen.

Ach mein Kopf, mein Kopf.

Wie werd ich wieder schlafen.

Mach doch bitte, dass ein anderer heut Nacht

Der Träumer meiner Träume wird,

Und mach', dass ich nicht wieder lügen muss.

Ich hab' das Lügen satt!

Ich hab' es satt!

Ich lüge, lüge ohne meine Schuld.

 

 

2. Akt, 1. Bild "Liebesgeständnis"

Kantine  

Sie 2 und Er 1  in der Kantine. Einige Gäste.

 

Er 1        Du rufst mich nicht mehr an,

               Du sprichst nicht mehr mit mir.

Sie 2       Aha, und du?

Er 1        Du bist so blass.

Sie 2       Und wenn ich mit dir reden will,

               Lässt du mich einfach stehn.

Er 1        Das war nicht nett von mir. Entschuldige.

               Ich hab' mich dann ja auch besonnen.

Sie 2       Nur, weil meine Freundin Krach geschlagen hat.

Er 1        Sonst wärst du jetzt mit ihr

               An diesem Tisch.

Sie 2       's ist mir lieber so.

Er 1        Mir auch.

               Geht's dir nicht gut? Was hast du.

               Soll ich uns 'was holen?

Sie 2       Nein, ich ess' nichts mehr, seit gestern schon.

Er 1        Warum?

Sie 2       Weil du nicht angerufen hast,

               Nicht mit mir sprichst.

               Weil du nichts von mir wissen willst.

               Ich hab' dir nichts getan.

Ich lieb' dich nur, und du...

Er 1        Du musst doch etwas essen!

            Meinetwegen isst du nichts:

            Was mach' ich wieder falsch?

            Ich will doch nur, dass wir Distanz gewinnen,

Und statt dessen zwing ich dich, mich zu erpressen.

Jede andre Frau, hätt' zehnmal nachgefragt,

Was los ist, warum spricht er nicht mit mir.

Du ziehst statt dessen gleich die Konsequenz daraus

Und isst nichts mehr.

Wenn ich dich bitte?

Sie 2       Nein, ich möchte nichts.

 

Sie legt ihren Kopf ganz flach auf den

Tisch und schaut ihn von unten an.

 

Sie 2       Ich esse wieder, esse dann erst wieder,

Wenn ich etwas ganz Bestimmtes von dir höre.

Wenn du sagst, dass du mich liebst.

Sag' es mir bitte, bitte endlich.

Sag' es mir.

Ich möchte es ganz langsam von dir hören,

Weil ich schon nicht mehr dran glaub'.

Ich kann es nicht mehr glauben.

Ich denk' immerzu, ich rede mir das alles ein.

Ich will es endlich von dir hören.

Ja, ich will es wissen.

Er 1        Lieber Gott.

 

Er nimmt ihre Hand und küsst die von außen und von innen.

 

Er 1        So küss' ich dich von außen und von innen.

Hör' mir zu.

Ich stell jetzt meinen Willen in die Ecke,

Und ich sag' dir,

Was ich dir nicht sagen sollte.

Ich will unser Leben, deines und das meine,

Nicht erschweren.

Und du weißt, das hab' ich tausendmal gesagt,

Ich will, ich kann, ich darf dich niemals lieben,

Niemals richtig. Doch, das weißt du!

Wenn es jemals anders kommen soll,

Dann sicher nicht durch unser Zutun.

Hör' mir bitte weiter zu.

Mit deiner Frage zwingst du mich.

Anscheinend willst meine Antwort,

Die ich dir mit jeder Geste gebe, auch noch hören:

Ja, ich liebe dich.

Ich sag' es dir, weil es so ist.

Ich schwöre dir, in meinem Leben hab' ich keine Frau

So sehr verlangt, wie dich.

Das ist die reine Wahrheit.

 

Er küsst ihr die Stirn.

 

Er 1        Meine Liebe frisst mich auf,

Weil ich mir vorgenommen habe,

Sie in mir zu lassen.

Nie im Leben werde ich so wieder lieben können.

Aber, ich sag' dir alles nur dies eine Mal.

Danach nie wieder.

Und vor allen die es hören wollen,

Werd' ich leugnen.

Vor mir selber werd' ich es bestreiten

Und es nicht noch einmal eingestehen.

 

Er küsst ihr noch einmal die Hand.

 

Er 1        Also, es ist wahr,

Dass ich dich liebe, liebe, liebe,

Mehr als alles in der Welt.

Er legt seiner Finger auf ihren Mund.

Ich möchte bei dir sein.

Ganz nah,

Wie du es willst.

Ich möchte alles von dir haben, glaubst du mir?

Es fällt mir schwer, unsagbar schwer,

Von dir zu lassen.

Unsre Liebe lässt sich aber nicht erfüllen.

Ja, ich geb' es zu,

Ich bin dabei, sie zu begraben.

Das betrifft nur mich. So bin ich eben.

Darum, hörst du, darum bitt' ich dich,

Erschwer' uns nicht die Tage.

Lass uns wenigstens so nahe beieinander sein

Wie möglich,

Dass wir uns so oft wie möglich sehen können.

Ich bin zu sehr eingebunden,

Und ich kann nicht über meinen Schatten springen.

Denk doch nur an meine Frau, Familie und die Schreiberei.

Ich kann mir nicht die kleinste Unterbrechung leisten.

Nein, Erfüllung gibt es nicht.

Nicht für uns beide und schon gar nicht jetzt.

 

Sie 2 zögert mit der Antwort.

 

Sie 2       Ich glaub' dir. Ja, ich glaube dir.

               Du zwingst mich auch.

Er 1        Zu was?

Sie 2       Du zwingst mich, dass ich mich entscheide.

Er 1        Bitte, und wofür, wogegen?

Sie 2       Wenn du glaubst, was du gesagt hast nehme ich so hin,

               Dann hast du dich geirrt.

Ich lass doch nicht mit mir durch dich geschehn,

Was andere sich wünschen!

Er 1        Andere?

Sie 2       Natürlich andere!

Die irren sich gewaltig.

Du, das weiß ich langsam, hilfst dir nicht,

Und mir, das sagst du selber,

Willst du auch nicht helfen.

Also nehm' ich selbst die ganze Sache in die Hand.

 

Er 1  ist erleichtert.

 

Er 1        Das find' ich gut.!

Ich weiß zwar nicht, was du nun machen willst,

wünsch dir aber für uns beide Glück,

Denn ich hab' wirklich keine Ahnung.

Du machst das, was du für richtig hältst.

 

Nach einer kleinen Pause.

 

Er 1        Sei lieb und iss nun wieder, bitte.

Eine Kleinigkeit, dann kommt der Appetit.

Es liegt mir viel daran.

 

Sie sieht ihn lange an.

 

Er 1        Was gibt's. Du glaubst mir doch?

Sie 2       Wenn du nur wüsstest, was ich alles machen würde,

            Um dich zu bekommen.

Alles, alles gäb' ich her.

Du könntest alles, alles von mir haben,

Alles, was du wolltest.

 

Er nimmt ihr Gesicht in beide Hände.

Zwischen ihnen steht ein Kantinentisch.

 

Er 1        Du, mit deinem überirdischen Gesicht.

               Gerahmt mit blonden Haaren.

Deine Einsicht macht mich froh.

Ich danke dir dafür.

Ich sage, Gott sei Dank, weil es mich so erleichtert.

 

Sie stehen auf, um sich Essen zu holen.

Sie flüstert in sein Ohr

 

Sie 2       Sagst du's noch einmal?

 

 

2. Akt, 2. Bild, „Kampf um Wahrheiten"

Zuhause

Zuhause bei Er 1  und Sie1.

Abends.

 

Er 1        Ich hasse jeden Wochenanfang.

               Irgendetwas läuft doch immer schief.

Sie 1       Da ist ein Brief gekommen.

Ganz privat an dich. Persönlich!

Eine Frau.

Den Namen kenn' ich doch.

Die sitzt doch im Büro bei dir.

Was will die denn.

Die kann doch mit dir reden, wenn sie etwas will.

Er 1        Sie schreibt an mich?

Sie 1       Dann weißt du, wen ich meine?

               Habt ihr's miteinander?

 

Er 1  ist verdächtig verlegen.

 

Sie 1       Treibt ihr's miteinander im Büro?

Nach Feierabend etwa? Auf den Tischen?

Auf dem Teppich, oder wo?

Er 1        Du bist gemein.

Sie 1       Ich schufte hier für dich und spiel' die Blöde

Er 1        Sei doch still.

Was bildest du dir ein. Da ist doch nichts.

Wir unterhalten uns und weiter nichts.

Ich schwör' es dir. Was du gleich denkst.

Sie 1       Was schreibt sie denn.

Er 1        Wie soll ich wissen, was sie schreibt.

               Du hast doch ihren Brief. Gib her.

Sie 1       Dann lies ihn vor.

 

Sie 1 gibt ihm den Brief, den er öffnet.

 

 

Er 1      Wir werden sehn.

Sie1     Das möchtest du natürlich nicht.

Ich möchte auch so manches manchmal nicht,

Und du fragst nicht danach.

Er 1      Herr Gott, noch 'mal.

Sie 1    Das hörst du nicht so gern'!

              Was ist mit euch.

              Du liebst sie, ist es so?

Er 1      Es ist ein bisschen so, und überhaupt nicht so.

            Ich kann dich ja verstehn.

            Ich würd' auch kochen.

Sie 1    Würdest du, aha, wie nett,

            Das freut mich aber,

            Und beruhigt so.

Er 1      Aha, aha!

Was ist dabei. Sie drängt sich etwas auf,

Und ich, ich mag sie auch ein wenig.

Das ist doch erlaubt!

Sie 1    Du liebst sie! Gib's doch endlich zu!

Er 1      Mein Gott. Ich bin ja nicht aus Holz.

Ich bin oft stundenlang am Tag mit ihr zusammen,

Aber zwischen uns ist nichts gewesen, gar nichts.

 

Sie 1    So, das soll ich glauben.

Was war neulich Abend mit dem Wagen los?

Mit deiner Vernissage?

Meinst du, die hab' ich dir geglaubt?

Jetzt weiß ich wo du warst.

Hast sie besucht! Natürlich.

Bist bei ihr gewesen.

Er 1      Stimmt, ich hab' sie noch getroffen.

Das war wichtig, weil wir uns noch niemals

Richtig ausgesprochen hatten.

In der Firma ging das nicht.

Es musste einfach sein.

Das hättest du doch nie verstanden.

Sie 1    Und was gab es auszusprechen?

Will ich gar nicht wissen!

Wo und wann... Ich weiß Bescheid!

Er 1      Das ist nicht wahr!

Um Himmelswillen, nein, das ist nicht wahr!

Es stimmt, ich liebe sie.

Ich kann es mir ja selber nicht erklären.

Sie 1    Hast es ihr natürlich gleich gesagt!

 

Er 1      Sie denkt es sich. Sie weiß es nicht genau.

            Es geht ja sowieso nicht.

            Will sie nur als Freundin nicht verlieren,

            Das hab' ich versucht ihr zu erklären.

Sie1     Du brauchst eine Freundin?

            Soll die Händchen halten, oder was.

Er 1      Ich kann ihr wunderbar erklären

            Was und wie, warum ich schreibe,

            Und sie hört mir zu,

Und sie versteht mich auch,

Ich hoff' es jedenfalls.

Sie 1    Mit mir kannst du natürlich nicht darüber reden.

              Da muss so ein Küken kommen!

So ein Miststück.

Hat von nichts 'ne Ahnung.

Und verdreht dir gleich den Kopf.

Was steht nun in dem Brief. Lies vor.

 

 

Er1  überfliegt der Brief.

 

 

Er 1      Moment.

Ich muss ihn selber erst verstehn.

Nein, den lese ich nicht vor.

Ich sag' dir, was sie schreibt.

Und eines sag ich dir schon jetzt:

Probleme, nur Probleme.

Sie 1    Was sie sagt!

Er 1      Es ist ein Angebot an mich.

Sie will mir meine Sachen schreiben helfen.

Sie 1    Und, was noch?

Er 1      Und, dass sie etwas für mich tun will.

Sie 1    Was denn.

Er 1      Wie ich sagte:

            Sie will für mich sorgen, dass ich schreiben kann.

Sie 1    Die spinnt. Sie will dich an sich binden,

Dass du blind nach ihrer Pfeife tanzt.

Die hält dich aus, und lässt dich fallen,

Wenn du ihr nicht mehr gefällst.

Und was verdient sie schon.

Das ist doch viel zu wenig, für euch beide.

Alles Schwachsinn!

Er 1      Geht doch alles nicht.

Sie ist doch auch verheiratet. Genau wie wir.

 

Sie 1    Du glaubst doch nicht, dass die das stört!

Im Gegenteil!

Die Gegenleistung.

Was will sie als Gegenleistung haben?

Die ist doch verrückt!

Er 1      Sie will von mir nur,

            Dass ich irgendwie mit ihr zusammenziehe,

            Will mit mir zusammenleben, aber,

Glaub' mir, das ist ihre Phantasie.

Kommt nie für mich in Frage,

Weißt du doch, wie käme ich dazu.

Ich habe wirklich keinen Grund.

Sie 1    Die nimmt auf gar nichts Rücksicht!

            Das machst du ihr aber klar.

            Sonst ruf' ich selber bei ihr an.

Er 1      Das lässt du sein!

Du kannst mir glauben,

Zwischen uns ist nichts und wird nichts sein.

Ich schick den Brief an sie zurück.

Ich schreib' ihr ein paar Zeilen,

Dass sie nicht beleidigt ist.

 

Sie 1    Es wird ja immer schöner!

Sie soll nicht beleidigt sein?

Und ich, was ist mit mir?

Hat sie mich nicht beleidigt?

Er 1      Also gut.

Ich will mir ihre Freundschaft aber nicht verderben.

Sie 1    Was du davon hast!

Er 1      Versprochen ist versprochen:

Ich nehm' keinen Brief mehr von ihr an.

Du kannst dich drauf verlassen.

Dir erzähl ich lieber gar nichts mehr von ihr.

Du bist ja außer dir.

Das muss nicht sein.

Im Grunde gibt es keine Gründe.

Sie 1    Trotzdem will ich alles wissen,

            Und ich möchte sicher sein,

            Dass es nicht schlimmer wird, als es schon ist.

            Wer weiß, was ich dir glauben kann.

Er 1      Ich hab' dir doch gesagt:

            Ich schreib' ihr einen Brief und sag' ihr ab.

 

 

Sie 1 möchte ihm den Brief aus der Hand nehmen, aber er steckt ihn weg.

 

Sie 1       Die schmeißen dich noch aus der Firma 'raus,

               Nur wegen dieser Frau.

Wenn die 'was merken, ist es aus mit dir.

Dann kannst du gehn,

Und ich kann sehn, wie ich zurechtkomm'.

Daran denk' falls du mal denkst!

Er 1        Ich kann doch mein Gefühl nicht ausziehn

          Oder wechseln wie mein Hemd.

          Was willst du noch. Von mir aus tret' ich kurz,

          Sie wird sich das nicht bieten lassen.

Ich muss es erklären, dass sie es versteht.

Sie 1       Schick ihr den Brief zurück

               Und mach's ihr klar!

 

Es klingelt an der Tür. Das sind vielleicht die Kinder, ich mach' auf.

Sie 1 geht hinaus.

 

Er 1        0h Gott, mein Herr.

Ich bringe alles durcheinander.

Hätt' ich lieber nichts gesagt. Ich weiß nicht,

Alles ist so schnell gekommen.

Natürlich hat sie recht.

Ich müsste wissen, wo ich hingehöre.

 

Er 1 holt den Brief aus der Tasche.

 

Er 1        Andrerseits gefällt mir, was sie schreibt.

Nicht schlecht. Das meint sie aber nicht im Ernst.

Nein, ganz bestimmt nicht.

Ich werd' schreiben, dass ich ihr nicht besser

Meine Liebe hätte eingestehen können

Als sie es mit diesem Brief an mich getan hat.

Ja, der hat mich überzeugt.

Die liebt mich wirklich.

Vorher war ich voller Zweifel, aber jetzt..

Vielleicht ist sie die einzige Gelegenheit

Aus meinem Leben was zu machen, da herauszukommen.

Nein, das schreib' ich nicht.

Sie ist ja selbst nicht frei.

Das übersieht sie einfach.

Ich? Du meine Güte!

Vierfach unfrei!

Ja, dass müsste ich ihr schreiben.

Dass sie sieht: ein hoffnungsloser Fall.

               Das schreibst du ihr natürlich nicht.

               Du wärest ja verrückt.

 

Er 1 zeigt mit dem Finger nach oben.

 

Er 1        Ja, du da oben stehst im Wege,

Weil ich Treue halten soll.

Die hab' ich ihr geschworen, damals bei der Hochzeit.

Ist verjährt? Das zählt heut' nicht?

Oh doch, mein Herr. Das wär' zu einfach.

Das hab' ich geschworen. War mein Schwur.

Geschworen ist geschworen.

 

Pause.

 

 

 

Er 1      An die Schreiberei darf ich nicht denken. 

Wie soll ich mich konzentrieren können,

Wenn ich liebe. Nichts darf mir dazwischen kommen.

Das wär' tödlich.

Nein, gib's zu, das Schlimmste ist ihr Mann.

Du würdest doch mit einer Frau aus zweiter Hand

Nicht glücklich werden, oder?

Also siehst du, so ist das.

Ich werd' sie bitten, mich aus ihrem schönen Kopf

Zu streichen.

Und wer streicht sie dir aus deinem?

Das ist das Problem.

Da kriegst du sie nicht 'raus.

Und über dich lacht sie sich aus. Mit Recht.

Wenn dies Gefühl nicht wäre:

Dies Gefühl Sichgehenlassenmöchten.

Gibt's das überhaupt?

Bei dir? Gewiss.

 

Du darfst es ihr nicht zeigen.

Ihr nicht und nicht deiner Frau.

Nein, beiden nicht.

Das nutzen beide schamlos aus.

Ich werde keinen Brief mehr öffnen.

Werd' sie einfach ungeöffnet lassen.

Soll'n sie denken, was sie wolln.

Was hab' ich denn davon. Nur Ärger hinterher.

Es ist ganz eigenartig.

Einen Brief nicht aufzumachen ist brutal.

Erzwinge ich damit nicht eine Wahrheit,

Die nicht existieren soll? Kann sein.

Ich bringe das Geschehen durcheinander,

Weil bei mir nicht das geschieht,

Was sich der Briefeschreiber denkt.

Es wird von mir nichts nachvollzogen.

Gut, ich werd' es ihnen sagen,

Aber sie versteh'n es nicht.

Ein eigenartiges Gefühl.

Es stellt den Briefeschreiber in ein ungewohntes Licht.

 

Er wird an seine Absicht denken:

Wie mach' ich dem anderen das klar!

Sie kann ja mit mir reden, wenn sie will.

Und wenn sie's nicht tut, werde ich mir

Eine Wirklichkeit ertasten..

Kann mir denken, was ich will,

Vermuten, was der Briefeschreiber will.

Ich könnte auf Gedanken kommen,

Die viel schlimmer wären,

Als es auf dem Blatt Papier zu lesen wäre.

Könnte, könnte.

Aber meine Wahrheit wird nicht schlimmer sein

Als jede andere.

Nur, mir bedeutet sie sehr viel.

Ich möchte meinen eignen Irrweg ganz zu Ende geh'n.

Ich weiß, das soll ja grad' vermieden werden.

Aber ich stoß so auf neue Möglichkeiten.

Treff' vielleicht auf neue Grenzen,

Finde, wo das Undenkbare anfängt.

 

 

Sie 1 kommt zurück mit zwei Briefen in der Hand.

 

Sie 1       Das errätst du nicht.

Es ist doch nicht zu fassen.

Eben kam ein Taxi vorgefahren.

Man setzt fort! Gemeinsam!

Beide sind für dich.

Der eine ist von ihr, der andere von ihm.

Von ihrem Mann!

Er 1        Gib her.

Die schick' ich so zurück.

Ich werde keinen öffnen.

Sie 1       Das versteh' ich nicht.

               Du weißt doch gar nicht, was die schreiben!

Er 1        Eben drum!

 

 

2. Akt, 3. Bild "Versteinerung"

Büro

Er 1 im Büro.

Sie 2 kommt herein. Sie hat zwei Briefe in der Hand.

Im Büro liegt, wie zur Zierde, ein großer weißer Felsen.

 

Sie 2       Guten Morgen, oder besser: Guten Tag.

               Ich habe Post für dich.

Er 1        Die will ich nicht,

Und die Geschäftspost ist schon durch.

Ja, Guten Tag.

Sie 2       Ist rein geschäftlich.

 

Sie lacht.

 

Er 1        Weiß ich besser.

Sie 2       Feigling. Warum schickst du uns die Post zurück?

               So ungeöffnet? Ist doch kindisch.

Er 1        Find' ich nicht.

Ich weiß nicht, was die Briefe sollen.

Sag mir, was du willst.

Sie 2       Mein Brief ist wichtig.

               Ohne ihn verstehst du meinen ersten nicht...

Er 1        Dann sag' es.

Sie 2       …und mein Mann ist richtig traurig über dich.

Er 1        Mag sein. Ich will die Briefe nicht.

          Kannst du dir denken, was der erste bei mir angerichtet hat?

          Bei mir Zuhause? Nein, natürlich nicht.

Sie 2       Du darfst mir aber schreiben, oder?

Er 1        Es war auch nicht richtig.

Ich hätt' gar nichts machen sollen.

Sie 2       Find' ich nicht.

Mein zweiter Brief gehört zum ersten, klärt ihn auf.

Den kann man so nicht stehen lassen.

 

Pause.

 

Sie 2       Was mein Mann schreibt, weiß ich nicht.

Er 1        Ich denk' ihr sagt euch alles.

               Diesmal nicht?

Ich will's auch gar nicht wissen.

Beide Schreiben intressier'n mich nicht.

 

Sie wirft ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.

 

Er 1        Ich weiß nicht, warum ich so bin zu dir.

Ich find' mich selber ekelhaft. Entschuldige.

Sie 2       Es gibt nichts zu entschuldigen.

          Du bist so. Einfach, fertig, aus.

          Du denkst, wenn man beharrlich schweigt,

          Kann man mit Schweigen alles überdecken.

 

Sie nimmt eine Gießkanne und beginnt den

Felsen zu begießen.

 

Sie 2       Siehst du das?

Er 1        Warum. Was soll denn das nun wieder.

Sie 2       Dieser Stein bist du.

Ich habe Hoffnung.

Irgendwann, wirst du erweichen.

Vielleicht treibst du eines Tages Blüten?

Werden Steine älter oder jünger?

Er 1        Warum fragst du das.

Sie 2       Ich frage mich, wie so ein Stein entsteht.

               Der ist doch nicht so plötzlich da.

Er 1        Er bricht aus einem größeren.

Sie 2       ...und dann zerbricht er noch einmal? ...und noch einmal?

...und aus den kleinen Steinen wachsen wieder große?

...werden Felsen und Gebirge?

...die zerbrechen wieder, und so weiter, ist es so?

Er 1        Kann sein, vielleicht. Ich weiß es nicht.

Sie 2       Es ist so.

Deshalb sage ich, die Steine werden immer jünger,

Weil sie kleiner werden, und nie älter.

Siehst du nun, warum ich Hoffnung habe?

 

Sie stellt die Kanne wieder fort.

 

Er 1        Wenn wir noch Schüler wären,

Brächte man uns anders zur Vernunft:

Man würde uns ins Ausland schicken,

Auseinander bringen, voneinander trennen.

Dich nach England, mich nach Frankreich oder so.

Wir würden uns vergessen müssen.

Sie 2       Aber, wir sind keine Schüler.

               Ich auf keinen Fall!

Und wer entscheidet, was vernünftig ist.

Für dich, für mich.

Du bist doch sowieso aus Blech.

Und ich, ich hab' mir vorgenommen,

Dich daraus zu lösen. Aber,

 

Sie 2 zögert.

 

Sie 2       Ohne deine Hilfe schaff’ ich's nicht.

Du musst es wollen..

Und ich glaube einfach, dass du's willst.

Du kannst nicht einmal lieben!

Nein, du sagst es zwar,

Und trotzdem liebst du nichts.

Nicht deine Frau, nicht mich,

Nicht deinen Gott, nicht dein Zuhause,

Selbst die Dichtung, deine eigne Dichtung nicht.

Ich lieb' dich aber.

Ja, ich liebe dich. Ich weiß es,

Und ich weiß, dass du zur Liebe fähig bist.

 

Sie begießt wieder den Felsen.

 

Sie 2       Die will ich in dir wecken.

 

Sie lächelt ihn über die Schulter an.

 

Er 1        Jedes deiner Lächeln ist so unterschiedlich.

               Dies zum Beispiel...

Sie 2       Dies zum Beispiel...?

Er 1        ...mütterlich und trotzdem so zerstörerisch

               Und auch, als gäbe es noch etwas,

Dass du für dich retten willst.

Ich weiß nicht was es ist.

Behalt's für dich. Nein, bitte nicht.

Sie 2       Nimmst du die Briefe?

Er 1        Steht's darin? Ich will's nicht wissen.

               Nein, behalt sie, hHeb' sie auf.

Sie 2       Ich habe Hoffnung und Geduld. Ich warte.

               Weißt du, dass ich glaube,

               Dass du wirklich nicht aus deiner Haut kannst.

Schlimm ist das. Im Grunde ist das

Schlimm für mich, für dich,

Für meinen Mann, weil er mich liebt.

Er mag dich auch.

 

Er 1 schweigt dazu.

 

Sie 2       Wir könnten alle drei...

Er 1        Mein. Gott, hör' auf!

Das könnten wir ganz sicher nicht!

 

Er 1  im Scherz.

 

Er 1        Ganz anders säh' es mit zwei Frauen aus.

               Das könnte mir gefallen.

 

Sie 2 fasst das nicht als Scherz auf. Sie zögert mit der Antwort.

 

Sie 2       Gut, dann rede ich mit deiner Frau.

Er 1        Du bist verrückt.

               Das war doch nur im Scherz.

Sie 2       Ich habe mich entschlossen.

          Wenn ich dich nicht ganz bekomm',

          Will ich dich halb.

Ich werd' dich mit ihr teilen.

Du wirst kaum mit ihr darüber reden wollen, oder?

Weiß sie überhaupt schon von uns beiden?

Er 1        Ja, durch deinen Brief.

Sie weiß inzwischen, dass es etwas gibt.

Dass es dich gibt.

Sie möchte, dass ich mich entscheide.

Nein! Das hat sie nicht gesagt!

Das ist mir so herausgerutscht'.

Sie 2       Ich kenn' dich viel zu gut,

Und deine Frau ist klug.

Das hätte sie in ihrem ganzen Leben nicht gesagt!

Du hast es dir gewünscht.

Das spricht doch sehr für dich, für uns;

Ist frisches Wasser auf die Mühle.

 

Sie 2 schmiegt sich an ihn.

 

Sie 2       Lieber, was du da gesagt hast,

Ist viel mehr wert, als...

 

Sie 2 küsst ihn.

 

Sie 2       ...ist mir Beweis.

Er 1        Wenn du dich an mich schmiegst,

               Kann ich nicht denken.

Mich stört nur dein Mann,

Und dass du heute Abend wieder alles

Mit ihm durchsprichst.

Ich werd' krank von dem Gedanken.

Sie 2       Sprich doch nicht von ihm

Und nicht von deiner Frau.

Sprich nur von mir und dir.

Er 1        Das einfachste Zusammenkommen

               Ist nicht möglich.

Sie 2       Ist auch gar nicht nötig,

               Wenn wir gleich zusammenziehen.

Er 1        Kann ich nicht. Das geht doch nicht.

               Begreif' doch endlich.

Sie 2       In zehn Jahren lachen wir uns über das Gespräch

               Von heute tot.

Wir werden nämlich dann schon jahrelang

Zusammenleben.

Er 1        Bist du sicher? Du mit mir ?

Sie 2       Du wirst noch deine Meinung ändern.

          Brauchst noch Zeit. Ich hab' Geduld.

          Was denkst du jetzt?

Er 1        Ich sag' nicht immer alles, was ich denk'.

Sie 2       Und sagst statt dessen manches,

               Was du gar nicht denkst.

Er 1        Das wäre?

Sie 2       Kannst dir sicher sehr gut vorstell'n,

               Wie es mit uns wäre.

 

2. Akt, 4. Bild, "Kampf der Beutetiere"

Zuhause

Abends. Er 1 , Sie 1 Zuhause. Das Telefon klingelt.

Sie 2 wird eingeblendet.

Sie 2 ruft von sich Zuhause an.

Sie 1 nimmt ab.

 

Sie 1       Ja, bitte?

Sie 2       Hier bin ich. Sie wissen, wer ich bin?

Sie 1       Ich denke, ja. Sie sind es? Nein.

 

Sie 1  sieht zu ihm. Er1 steht erschrocken

auf und stellt sich in die Tür,

als wollte er gehen. Aber er hört zu.

 

 

Sie 2      Es wird nicht lange dauern.

Sie 1      So .

Sie 2      Ihr Mann und ich sind übereingekommen,

Sie 1      ...ach, mein Mann und Sie.

Sie 2      Wir finden's besser,

              Wenn wir für gewisse Zeit zusammen zieh'n.

Sie1       Wie bitte? Sie und er? Sie machen Witze

Sie 2      Nein, bestimmt nicht.

              Er hat nicht den Mut und…

Sie1       ... es mir selbst zu sagen.

Sie 2      Nein, das nicht. Nein, es sich selber zu gestehn.

Er traut sich nicht, den Schritt allein zu machen.

Dabei braucht er Hilfe. Da will ich ihm helfen.

Sie 1      Wollen Sie. Wie schön. Das kann ich gut verstehn.

              Natürlich nur für eine ganz bestimmte Zeit, nicht?

 

Sie 2      Für wie lange wissen wir noch nicht.

              Wir wissen's beide nicht.

Sie 1      Für ein paar Tage, Wochen, oder wie?

Sie 2      Nein, nein. Ich denke so zehn Jahre.

Sie 1      Nicht bis an Ihr Lebensende?

              Na, wer weiß.

Sie 2      Wir woll'n zusammenziehn.

Sie 1      Das sagten Sie.

Sie 2      Ihr Mann ist einverstanden.

Nicht, dass wir nun ständig aufeinander hocken wollen,

Sondern, dass wir uns ganz frei,

So oft wir wollen, treffen können.

Sie 1      Und Sie wissen auch, wovon Sie leben wollen?

Sie 2      Ja, natürlich. Aber das ist unsre Sache.

Sie 1      Ach, natürlich, das ist Ihre Sache.

 

Sie 2      Ja, ich denke, dass wir's schaffen werden.

              Anfangs wird es sicher etwas schwer.

Sie 1      Das macht doch nichts, nicht wahr?

Sie 2      Sie sollten davon wissen,

              Weil ich denke, dass es Sie doch überrascht.

Sie1       Nein, überhaupt nicht. Kommt mir wie gerufen.

              Wär ja nicht das erste Mal.

Sie 2      Das ist ein andres Thema.

              Jedenfalls, Sie wissen nun Bescheid.

              Und über Einzelheiten kann man immer reden,

              Wenn es soweit ist.

Sie1       Aha. Ich weiß Bescheid.

              Ich soll mich sicher noch bedanken, oder?

 

 

Sie 1  schmeißt den Hörer in die Gabel,

schaut sich wie irre um und geht dann

ganz besonnen auf einen Stuhl zu.

Sie 2 wird ausgeblendet.

 

Sie1        Mein Lieblingsstuhl.

Der ist mir grade recht.

Dazu hast du wohl keinen Mut gehabt.

Mir das zu sagen, schickst du dieses Miststück; vor!

Und die ist frech genug! Die wagt es auch!

Mich anzurufen!

Eine Frechheit, eine Frechheit, die sie sich erlaubt!

 

Sie 1 wirft ihm den Stuhl hinterher. Der fällt auf den Boden.

Die Beine brechen ab. Sie 1 schreit- auf und schluchzt.

 

Sie1        Mein Stuhl, mein Stuhl. Mein Lieblingsstuhl.

Den hab' ich selbst bezogen.

Oh, mein schöner Stuhl!

Das alles ihretwegen. Ach, mein schöner Stuhl.

 

Sie 1 kniet sich vor den zerbrochenen Stuhl.

 

 

Er 1        Es ist doch alles anders.

Sie 1      Wag dich nicht in meine Nähe!

Mach den Mund nicht auf! Sei still!

Du Lügner, Lügner! Hast mich angelogen!

Aber jetzt weiß ich Bescheid!

Zieh doch zu ihr. Zieh aus! Geh doch.

Lass dir von ihr die Hemden bügeln

Und das Essen machen!

Die wird sich noch wundern!

Deine Launen kann sie auch ertragen.

Die kennt dich bis jetzt doch nur

Von deiner Schokoladenseite.

Ja, bei der versprühst du deinen ganzen Charme.

Kein Wunder, dass die auf dich fliegt.

Mein schöner Stuhl, mein schöner Stuhl.

Er 1        Lass doch den Stuhl.

               Ich mach ihn wieder heil. Das krieg' ich hin.

               Lass dir 'was sagen.

 

Sie 1      Bleib mir bloß vom Leib!

Du kannst verschwinden. Zieh Zu diesem Miststück!

Mach doch, was du willst.

Ich bin nicht auf dich angewiesen. Geh doch, geh'.

Mein Stuhl, mein schöner Stuhl!

Mein Lieblingsstuhl.

Er 1        Den krieg' ich wieder hin. Hör zu.

Sie 1      Ich hab' die Lügen satt.

Und wenn du mich berührst,

Schrei ich das ganze Haus zusammen.

Er 1        Von euch Weibern hab ich,

              Jetzt die Schnauze voll.

              Ich hab es satt! Hör auf mit dem Geplärr!

 

Ich habe nichts als Ärger, Streit im Haus!

Steck dir den Miststuhl an den Kopf,

Verflucht noch 'mal!

Ihr beide denkt doch nur an euch!

Ihr seid die größten Egoisten.

Keine von euch beiden denkt an mich!

Ich hab' ein Herz! Und was wollt ihr?

Die eine will den Kopf, mit allem was darin steckt,

Die andre will die Därme!

Soll ich mich zerreißen: Auseinanderreißen?

Bin ich für euch Futter, das ihr fressen dürft!

Du kreischst herum!

Sie kriegt kein Kind von mir.

Ich war nicht 'mal mit ihr im Bett.

Ich hab' ihr nichts versprochen!

 

 

Er 1  steht wieder auf. Jetzt kniet er sich vor den Stuhl

und versucht, die zerbrochenen Beine zusammenzustecken.

Es gelingt ihm nicht.

 

Sie1        Du meinst, du kriegst das wieder hin?

Er 1        Ich kann doch nichts dafür,

               Wenn sie hier anruft.

Kann ich dafür, wenn wir uns lieben,

A b e r  es nicht tun.

Ich frag' dich, ja, ich frage dich!

Kannst du mir sagen, was du möchtest:

Soll ich gehen, oder bleiben.

Soll ich dich verlassen.

Ich mach', was du willst.

 

Sie 1 sieht, dass er die Frage ernst meint, bleibt aber auf Distanz.

 

Sie 1       Was wird aus meinem Stuhl? Der ist antik.

Ist überhaupt nicht zu bezahlen,

Weißt du ganz genau.

Den Stoff hab' ich bestickt.

Ich hab' ihn selbst bezogen.

Wie bekomm' ich den nur wieder heil.

 

Er 1 steht auf. Nun kniet sie sich wieder vor den Stuhl.

Sie 1, eiskalt und bestimmt.

 

Sie1        Du bleibst! Ich möchte, dass du bleibst.

               Da weiß ich wenigstens noch was ich habe.

 

Er weicht erschrocken über ihre unerwartete Antwort zurück.

Sie 1 steht auf.

 

Sie1        Ich geh’ ins Bett. Allein!

Ich brauch den Schlaf.

 

Sie 1  geht.

Er 1  wartet. Dann liest er etwas in einem Buch.

Geht dann zum Telefon und ruft Sie 2 an.

Sie 2 wird eingeblendet.

 

 

 

Sie 2    Hallo?

Er 1      Du bist verrückt. Du weißt nicht,

            Was du angerichtet hast.

Sie 2    Ein Blutbad?

Er 1      Fast. Ich hab' ihr grad' gesagt,

            Dass ich euch Weiber satt hab'.

            Hab' ihr vorgeworfen,

Dass ihr zwei die größten Egoisten seid,

Nur an euch selber denkt.

Sie 2    Das klärt die Fronten. So und so. Das macht nichts.

Er 1      Du willst meinen Kopf,

Mit allem was drin steckt,

Und sie will meine Därme.

Beutetiere seid ihr beide.

Sie 2    Kann sie haben.

Er 1      Hättest du ihr lieber nichts gesagt.

            Ich weiß nicht, was ich machen soll.

Sie 2    Ich hab' es dir gesagt.

Er 1      Bist du alleine?

Sie 2    Ja, und du? Was machst du nun?

Er 1      In diesem Augenblick?

            Ich blättre in dem „Buch der Bücher".

Sie 2    In der Bibel etwa?

            Das ist doch kein Buch für dich.

Er 1      Ich hab' da 'was gefunden.

Sie 2    Suchst du Rat?

Er 1      Vielleicht. Ich glaube, ja. Hör zu. Ich hab's.

            Ein Rätsel, das den Schlüssel in sich trägt.

            Ich glaube, das ist gut.

Sie 2    Dann lies.

Er 1      Es heißt: "Ich habe dir geboten,

Sei getrost und unverzagt,

Lass dir nicht grauen,

- jetzt hör' zu -

Und lass dich nicht entsetzen,

Denn der Herr, dein Gott,

Ist hier mit dir in allem,

Was du tun wirst."

Sie 2    Und das heißt?

Er 1      Verstehst du nicht? Es ist das Wort

            „Entsetzen".

              Wenn man's anders liest: "Ent - Setzen".

Durch die Trennung kriegt es seinen Sinn!

Ich soll mich nicht von meinem Platz

Ent- setzen, nicht davon entfernen,

Soll ihn nicht verlassen,

Gleich, was kommt.

Ich soll mich nicht vor dir verstecken...

 

Sie 2     Und. vor unsrer Liebe. Du...

Er 1      Jetzt hab' ich mich entschlossen.

            Ich soll keine Angst mehr haben.

            Es ist alles gut. Es soll so sein.

Sie 2     Ist das dein Ernst?

Ich werd' verrückt vor Glück.

Ich kann es gar nicht sagen.

Er 1      Wenn du's überhaupt noch willst.

Ist das Musik in deinen Ohren?

Sie 2     Treffen wir uns noch?

Er 1      Heut' doch nicht mehr. Nein, morgen.

Sie 2     Morgen fällst du wieder um.

Er 1      Ich schwör' es dir:

            Ich fall nicht um.

            Ich akzeptiere unsre Liebe jetzt.

Sie 2     Und all die andren Hürden,

            Die du immer wieder aufbaust?

Er 1      Deinen Mann..

Sie 2     Denk nicht an ihn. Vergiss ihn endlich.

Er 1      Ich zieh aber nicht gleich aus.

            Ich mache erst 'mal „Überstunden“.

Sie 2     Für den Anfang gut.

Er 1      Ich hätte nie geglaubt,

Dass du den Mut, sie anzurufen, finden würdest.

Sie hat einen Lieblingsstuhl,

Den liebt sie mehr als mich.

Den hat sie mir noch nachgeworfen,

Brach entzwei, natürlich.

Sie ist ganz verzweifelt.

Sie 2     Siehst du.

Sie zeigt dir auf ihre Weise ihre Liebe:

Beißt der Lieblingspuppe gleich den Kopf ab.

Oder denkst du, dass sie deinetwegen heult!

Er 1      Sie hat ihn selbst zerschlagen.

            Ach, vielleicht verreis' ich 'mal für eins, zwei Tage.

Sie 2     Bringst du das? Mit mir?

Er 1      Ich glaube, ja, ich pfeif auf Treue.

Sie 2     Sie ist sicher treu.

            Ich liebe dich.

Er 1      Wart' ab und quäl' mich nicht.

Sag nichts von euren Briefen.

Ich bin froh, dass ich jetzt glücklich bin.

Ich hab' gezögert, das ist nun vorbei.

Sie 2     Wir seh'n uns morgen?

 

Er 1      Ich kann jetzt viel freier

Über alles denken.

Denk auch plötzlich anders über die,

Die freier denken. Nicht so eng, wie sonst.

Ich glaube, die sind auch nicht schlechter

Oder besser, als die anderen.

Sie haben’s vielleicht besser, oder?

Sie 2     Zwischen uns darf..

Er 1      Selbst der kleine König David

            Hat die Frau des Knechts verführt.

Sie 2     Du, zwischen uns darf kein Geheimnis bleiben.

Er 1      Bleibt es nicht. Ich hasse Lügen.

            Weißt du, dass der David seinen Knecht...

Sie 2     Das war gemein von ihm.

Er 1      Es muss nicht so weit kommen.

            Ach, ich fühle mich so frei.

            Wir werden schlau sein.

Nicht zu viel auf einmal.

Alles mit Bedacht.

Sie 2     Mit uns ist es doch anders,

Denn die Frau des Knechts von David wurde nicht gefragt.

Ob die ihn wollte?

Er 1      Stimmt, war anders. David hatte gleich nach ihr verlangt.

Ich dachte, dass mich meine Frau

Zum Teufel jagen würde.

Sie 2     Hat sie nicht. Die Quälerei war ganz umsonst.

 

 

Sie legen die Hörer auf. Sie 2 wird ausgeblendet.

Er 1  den zerbrochenen Stuhl und aus einer "Apotheke"

eine übergroße Nadel und einen übergroßen Faden

und versucht damit die Stuhlbeine zusammenzunähen.

Das gelingt natürlich nicht. Es ist hoffnungslos.

"Ein Kartenhaus"

 

2. Akt, 5. Bild, ein Kartenhaus

Er 1 und Sie 2 in der Kantine.

 

Sie 2       Du siehst mich an,

               Als wolltest du mir etwas sagen.

Er 1        "Etwas" reicht nicht aus.

Sie 2       Du kannst es ruhig sagen: Du willst mich.

               Du kannst mich haben.

 

Sie 2 in sein Ohr.

 

 

Sie 2      Heut' ist Mittwoch.

Er 1       Ich bin froh, dass du nun wieder isst.

              Du bist für mich ein Augennest, nein, tausend Augennester.

              Weißt du, was ich mein'?

Sie 2      Ich seh's dir an.

Du ziehst mich mit den Augen aus.

Das hätt'st du früher nicht gewagt.

Es macht mir nichts. Ich weiß, dass es so ist.

Wenn wir uns länger kennen, gibt es sich.

Ich mag es, wenn du mich so anschaust,

Wegen deiner Augen.

Er 1       Schamlos, nicht? Beim Essen kommt der Appetit.

              Ich stell mir deinen Körper vor.

              Ich bin jetzt völlig frei.

Sie 2      Und dein Gewissen?

Er 1       Nicht vorhanden.

Sie 2      Welch ein Wandel. Irgendwie brutal.

 

Er 1       Das stimmt. Ich kann ganz schön brutal sein.

              Mein Verhältnis zu Metall zum Beispiel.

Wenn ich Eisen sehe, möcht' ich es verbiegen.

Ist wie eine Lust. Es zieht mich magisch an.

Ich glaub' es zeigt mir meine Stärke,

Einen Widerstand, wie ich ihn in mir selber spüre.

Sie 2      Eine Art der Selbstzerstörung?

Ganz normal. Bei dir bestimmt.

Du kannst bestimmt auch grob sein.

Seh ich dir auf hundert Meter an.

Nur keine Angst. Ich mag es grob und sanft.

Er 1       Es war verkehrt von mir,

              Dich so zu ignorieren.

Sie 2      Du, ich möchte mit dir reden.

              Sieh mich bitte an.

 

Er 1       Ein Rückzug? Kannst es ruhig sagen.

              Ich hätt' schneller schalten sollen.

Sie 2      Nein, das nicht. Wie kommst du drauf?

              Ich will nur, dass du mir vertraust.

Er 1       Man soll nicht alles komplizierter machen,

              Als es ist.

Ich bin so froh, dass ich mich doch entschlossen habe.

Sag' mir etwas Liebes.

Deinen Augen seh ich's an.

Du hast die Silberglöckchen schlagen hören.

Nein, sag' lieber nichts.

Lass mich nur deinen Mund betrachten.

 

 

Er fährt mit den Fingern ihre Lippenränder nach.

 

 

Er 1      Lippenwanderer.

Sie 2    Ich muss dir noch 'was sagen.

            Sonst denkst du nachher, dass ich nicht ehrlich war.

Er 1      Wieso, ich möchte dich nur lieben.

            Ist das nicht das wichtigste in diesem Augenblick?

Sie 2    Trotzdem.

Wenn du mich lieben willst,

Muss ich dir eine Wahrheit sagen,

Und noch eine andere

Und eine, die du nicht verstehst,

Und eine, die ich selber nicht verstand.

Er 1      Das will ich nicht. Ich mag nichts hören.

Ich hab' gar nicht aufgepasst.

Ich bin auf nichts gefasst.

Gesteh' mir doch ein andres Mal.

Sie 2    Ich hab' nichts zu gestehen,

Aber vor zwei Jahren hatt' ich eine Fehlgeburt,

Und einmal hab' ich abgetrieben.

 

Er 1      Dein Besteck!

Sie 2    Was ist damit?

Er 1      Es sind zwei Ruderblätter,

Die nicht mehr ins Wasser finden.

Unbeweglich.

Stehen einfach still.

Das ist die Strafe.

Sie 2    Hör' mir erst 'mal zu.

Er 1      Was noch, noch mehr?

Sie 2    Das Kind kam, glaube ich, von meinem Mann,

            Das, was ich abgetrieben habe,

            Kam, von einem Arzt.

Er 1      Wie praktisch. Sehr bequem.

Sie 2    Das ist noch gar nicht lange her.

              War kurz bevor ich zu euch kam.

Er 1      Oh, Gott.

Ich dachte immer, Kartenhäuser

Stürzen schnell zusammen.

Meine aber fall'n in einer Langsamkeit,

Die ist fast unerträglich.

Sie 2    Weißt du, dass ich keine Pille nehme?

 

 

 

Sie lacht hell auf.

 

Er 1        Wegen diese Lachens lieb' ich dich.

Sie 2       Ich nehm' die Pille nicht.

Was würdst du tun,

Wenn ich von dir ein Kind bekäme?

Er 1        Was? Wie willst du das denn machen?

               Noch sind wir doch nicht...

Sie 2       Nun sei nicht so entrüstet.

               Irgendwie versteh' ich dich ja gut.

               Du hältst mich jetzt für ein Nutte, stimmt's?

               Trotzdem, das musst du glauben,

Ich erzähl' dir alles nur,

Weil ich dich ganz für mich alleine haben will.

Das ist der Grund, warum ich "beichte".

Lieben will ich dich.

Ich will dich lieben. Ich und niemand sonst.

Ich liebe dich, wie nie zuvor in meinem Leben

Einen Menschen.

Das sag' ich dir nur,

Damit du mir vertraust.

Vertraust du mir?

Er 1        Wer kommt nach mir?

               Kennst du den schon?

               Was ist mit mir, wenn ich nicht mehr der Letzte bin?

Sie 2       Du willst mir weh tun.

               Darauf sag' ich nichts.

 

Sie hebt energisch ihren Kopf:

 

Er 1        Es gibt noch mehr, als nur dein Lachen.

               Deinen ganzen Kopf...

Er ist zu schön.

Die Haare rahmen alles ein.

Verirrte Ranken, die um ein Geländer wachsen.

               Bitte halte still.

Ich steh' auf einer Treppe.

Es ist eigenartig. Was du sagst

Ist schlimm für mich, ist maßlos schlimm.

Und trotzdem ist es so,

Als ob mich alles, was du sagst,

Zu dir hinüberzieht.

 

Sie2  legt ihre Hand auf seine und blickt ihn von unten nach oben an.

 

Er 1        Wie ich dich liebe,

Liebt dich keine zweite Frau.

Das ist nicht möglich.

Nein, das gibt es nicht.

Du glaubst, wenn man sich treu ist, liebt man sich.

Bestimmt ist sie dir treu. Wenn ich mir vorstell':

Deine Frau und du!

Von Liebe habt ihr beide keine Ahnung.

Nichts wisst ihr davon.

Ihr seht sie euch durch Fensterscheiben an

Und steht selbst draußen.

Aber dich hol' ich herein.

Dich will ich Liebe lehren.

Die ist unermesslich.

Er 1        Hat für viele Platz. Verzeih', das war nicht so gemeint.

               Du reißt in mir die Wände ein.

               Das schmerzt.

               Ich grabe jetzt in kalter Asche.

Sie 2       Wände deines Kartenhauses.

 

Nach einer Pause.

 

Sie 2       Für ein Jahr war ich mit einer Frau zusammen.

Sehr intim.

Ich hab' mit ihr gelebt, als Frau mit einer Frau,

Verstehst du?

 

Er ist geschockt.

 

Sie 2       Frauen lieben intensiver und intimer.

Allerdings sind sie viel eifersüchtiger.

Das mochte ich zum Schluss nicht mehr.

Er 1        Und deinen Mann hast du danach gefunden,

               Nach der Frau?

Sie 2       Den kannte ich schon lange vorher.

               Aus der Jugend, aus der Schulzeit.

               Eine Zeitlang waren wir fast wie Geschwister.

               Dann kam etwas anderes dazu.

Wir kennen uns schon lange.

Weißt du meinen Mann lieb' ich ganz anders,

Als nun dich.

 

Pause.

 

Sie 2       Es wäre schön, wenn ihr euch gut vertragen würdet.

Er 1        Das wäre gar nicht auszudenken.

Wenn ich mir das vorstell'.

Das wär eine Wanderung durch Schotter, durch Geröll.

Ein falscher Schritt,

Und man stürzt ab.

Ich habe gar nichts gegen ihn.

Er brauchte aber meinetwegen nicht zu sein.

Ich mein', an deiner Seite.

Sie 2       Und der Mensch an deiner Seite?

Er 1        Du hast recht. Wir sind an unsren Platz gestellt.

               Und keiner hat im Grunde etwas ausgesucht.

Und dass wir uns begegnet sind

Und uns nicht finden können,

Ist doch auch verflucht.

Sie 2       Das find' ich nicht.

Du sollst nur wissen, wen du vor dir hast.

Ich möchte, dass du mir vertraust.

Ich möchte ehrlich sein.

Ich bin jetzt sehr erleichtert,

Weil ich dir das alles schon seit langem

Hatte sagen woll'n.

Er 1        Geschieht mir recht.

Sie 2       Sei froh! Es ist das erste Mal,

Dass du von deinen Vorurteilen abgekommen bist.

Ich seh' dich nun viel deutlicher.

Ich seh', wie schwer es für dich ist,

Da 'rauszukommen, alles aufzugeben,

Was man dir in viereinhalb Jahrzehnten

Eingetrichtert hat.

 

Sie holt die zwei Briefe aus der Tasche.

 

Er 1        Ich kann mich nicht mehr konzentrieren.

Du hast immer noch die Briefe?

Warum machst du dich zum Boten deines Mannes?

Das versteh' ich nicht, versteh' ich nicht,

Das kann ich nicht versteh'n!

Sie 2       Ich weiß nicht, was er schreibt.

               Er hat es nicht gesagt.

Nimm sie doch an und öffne sie.

Lies sie. Hab' keine Angst. Ich les sie vor?

Er 1        Auf keinen Fall.

Ich kann nicht wissen, was dein Mann mir schreibt.

Ich kann's mir aber denken,

Und was du mir sagen willst,

Brauchst du nicht aufzuschreiben.

Briefe deines Mannes mag ich nicht.

Ich weiß nicht, was das soll.

Ihr treibt mich in die Enge.

Sie 2       Er ist dir nicht böse.

               Glaub' mir, wirklich nicht.

Er 1        Ich glaube, dass er mich nicht mag.

               Er will mich warnen, ist doch klar.

               Das weiß ich ohne seinen Brief,

Und heute Abend wirst du alles wieder brav erzählen.

Gott, in was bin ich geraten.

Ich versteh' nichts mehr,

Ich muss jetzt geh’n.

Sie 2       Und meinen willst du auch nicht?

 

Sie steckt die Briefe wieder ein.

 

Er 1        Nein. Vergiss mich. Lass die Briefe sein

               Und lass das Schreiben.

               Schreibt mir keine Briefe mehr nach Haus'.

 

 

2.Akt, 6.Bild, "Erfolgloser Bote

"Zuhause

Abends bei Er 1 und Sie 1  Zuhause.

Er 1 kommt von der Arbeit heim.

 

Sie 1       Na, was gibt' s.

               Hat sie sich noch gemeldet?

Er 1        Nein. Wir seh'n uns im Büro.

               Mehr nicht.

Sie 1       Das müsst ihr ja.

Hat sie nichts mehr gesagt? Kein Wort?

Und nichts von ihrem Mann?

Er 1        Kein Wort von ihrem Mann, und sie schweigt auch.

               Seit Tagen nichts. Jetzt ist wohl Ruhe.

Sie 1       Das hast du schon oft gesagt.

               Die lässt nicht nach, die nicht.

               Wenn ich dran denk',

Was die am Telefon von sich gegeben hat.

Die gibt nie auf.

Was du denkst, will ich gar nicht wissen:

"Was der Mensch nicht weiß,

Macht ihn nicht heiß!"

Er 1        Ich hoffe, dass sie mich vergisst.

 

Sie 1 geht hinaus.

 

 

Er 1   Ich hoffe, dass es nicht so ist.

         Kein Sterbenswort. Seit Tagen schon.

         Sie schweigt, sie ruft nicht an.

Ich wag' es nicht. Das weiß sie doch,

Dass müsste sie doch wissen.

Ich kämpf nur noch gegen meine Liebe an.

Und dabei müsste ich sie hassen.

Alles macht sie mir kaputt.

Gott weiß aus welchem Grund.

Und ich zerstöre ihre Liebe. Alles falsch.

Wenn ich sie sehe, kann ich nur noch an sie denken.

Ich vergesse dann sofort, was sie mir alles

Eingestanden hat. Nicht eingestanden,

Aber was sie mich hat wissen lassen.

War nicht nötig. Hätt' sie auch für sich behalten können.

 

Häng' ihr richtig nach, und seh ihr nach,

Das ist schon unverschämt.

Das spürt sie sicher.

         Wenn sie dann geschäftlich zu mir kommt,

         Werd' ich zu Eis.

         Und dabei möchte ich die Arme um sie legen.

         Sie hat eine sehnsuchtsvolle Art der Liebe

         In mir aufgeweckt. Ich kann es nicht erklären.

         Möchte angenommen werden, möchte geben,

         Möchte aber auch dabei zugrunde gehen.

 

         Habe keinen Widerstand.

         Ich suche ihre Nähe. Pausenlos.

         Ich denke manchmal,

         Dass sie mir mit ihren Augen etwas sagen will.

         Ich müsste mit ihr reden.

         Wenn ich sie nicht sehe, ist es anders.

         So wie jetzt.

         Dann hab' ich meinen Vorsatz, gegen jede Besserwisserei:

         Lass sie in Ruhe. Denke nicht an sie.

         Sie hat dich längst vergessen.

         Das geht eins, zwei Tage gut.

         Nein, alles Lüge.

         Nein in Wirklichkeit wird es bei mir

         Mit jedem Tag nur schlimmer.

         Ihr geht's sicher ganz genau so.

 

 

Es klingelt an der Tür

Er 1 Öffnet. Er 2   steht in der Tür.

 

Er 1        Bitte? Guten Abend. Kommen Sie..

 

Pause.

Er 2   bleibt in der Tür stehen.

 

Er 2        Ich bin ihr Mann. Sie kennen mich.

 

Sie 1 kommt hinzu.

Er 2 spricht mit völlig verträumter Stimme

 

Er 2        Sie kennen mich, von Ihrer letzten Dichterlesung.

Er 1        Ja, mein Gott. Sie haben recht.

               Das wusste ich nicht mehr. Es stimmt.

Sie 1       Was gibt es denn? Wer ist der Herr:

               Bitt' ihn herein.. Ach so, sind Sie ihr Mann?

               Natürlich. Wurd' auch Zeit, wie gut.

Er 2        Ich bin in Eile. Draußen steht mein Taxi.

               Ja, mein Taxi wartet.

               Möchte weiter nichts, als diesen Brief abgeben.

               Ist der Brief von meiner Frau.

 

E 1r hat einen Brief in der Hand.

 

Er 2        Ich bringe Ihnen ihren Brief.

          Ich möchte, dass Sie diesen Brief annehmen.

          Meinen eignen halte ich zurück.

          Sie sagt, ihr Brief sei wichtig.

          Ich weiß nicht, was sie da schreibt.

          Sie sagt nur, dass er wichtig ist,

          Und dass Sie ihn bis jetzt nicht nehmen wollten.

Er 1        Das ist richtig, und das wird so bleiben.

Er 2        Woll'n Sie mir nicht den Gefallen tun?

          Ich bitte Sie. Ich tu es nicht für mich.

          Ich tu's für sie.

Er 1        Sie bringen ihren Brief? Warum.

          Ich will ihn nicht. Das weiß sie doch.

          Und deshalb fahren Sie mit einem Taxi?

 

Sie1 nimmt den Brief und will ihn ihrem Mann geben.

Der nimmt ihn und steckt ihn, als wäre er glühend,

sofort in die Botenhand zurück.

 

Er 1        Nein, auf keinen Fall.

Er 2        Ich bitte Sie. So nehmen Sie ihn doch.

Er 1        Ich denke nicht daran.

               Weiß sie davon, dass Sie mit ihrem Brief bei uns sind?

 

Er 2 wendet sein Gesicht nach draußen, bleibt aber in der Tür stehen.

Er 1 und Sie 1 sehen sich ratlos an.

 

Er 1        Komm'n Sie doch herein.

          So zwischen Tür und Angel. Kommen Sie.

 

Er 2 wendet sich ihnen wieder zu, bleibt aber in der Tür.

 

Er 2        Sie weiß es nicht. Sie tut mir leid.

               Ich möchte sehr, dass Sie den Brief erhalten.

Er 1        Nein, ich nehm' ihn nicht.

               Ich seh' es auch nicht ein.

               Sie kann ja mit mir reden. Braucht mir nicht zu schreiben.

Er 2        Sie würd' gerne selber kommen...

Sie 1       Nie! Das soll sie ja nicht wagen!

Er 1        Sei doch bitte still.

Sie 1       Ich weiß, du fändst das auch noch toll!

               Die kommt mir nicht in's Haus.

               Verzeihen Sie. Sie ist ja Ihre Frau.

Er 2        Ich öffne ihn und les' ihn vor. Ist das in Ordnung?

Er 1        Auch umsonst. Dann geh' ich 'raus.

               Ich will das nicht.

 

Sie 1  geht beiseite und will das Zimmer verlassen.

Er 1 geht hinterher, hält sie am Arm fest und spricht ihr ins Ohr.

 

Er 1        Der ist arm dran. Das siehst du doch.

Du siehst doch, der ist wie aus Watte.

Steht herum und kommt nicht 'rein

Und geht nicht 'raus. Mir tut er leid.

Er ist ja wie betäubt.

Und die Mission bringt der so nicht zu Ende.

Weil ich es nicht will. Bleib' hier.

Er wird es schon verstehn.

 

Zu Er 2 gewandt.

 

Er 1        Verstehen Sie uns bitte, oder mich.

Er 2        Ich leg' den Brief hier hin.

               Vielleicht besinnen Sie sich doch.

Er 1        Es gibt nichts zu besinnen.

               Dieser Brief bleibt nicht im Haus'.

 

Betretenes Schweigen.

Er 2 dreht sich langsam um und geht mit dem Brief wieder fort.

Beide sehen ihm nach.

 

Sie 1       Du hätt’st den Brief doch nehmen können oder sollen.

Er 1        Ich versteh' dich nicht.

Ich hab' geschworen, keine Post von ihr

Und keinen Brief von ihm mehr anzunehmen.

Sie 2       Ach, geschworen. Das ist leicht gesagt.

Er 1        Ich bleib' dabei.

Sie 2       Fängt nun das ganze wieder an?

               Noch ' mal von vorne?

Er 1        Nein. Das Ganze ist doch längst vergessen.

          Der wollt' testen, ob noch irgendetwas läuft.

          Ob ich 'was mit ihr habe. Das war alles.

Sie 1       So sah der nicht aus.

Die Sache ist bestimmt noch nicht zu Ende,

Die fängt jetzt erst an.

Ich möchte auch nicht wissen, was du wirklich denkst.

               Vielleicht ist dir das ganze

Auch egal.

Willst dich mit nichts belasten.

Das wär' typisch.

Trau' ich dir am meisten zu.

 

3. Akt, 1. Bild, Auf der Suche, ein Lied.

Im Park

Ein schöner Tag.

Sie 2 und Er 1  treten auf und setzen sich auf den Rasen.

 

Er 1        Ein Lied von Freiheit

               Und von Gummibärchen,

Sie 2       Und von Zwischenwegen in den Gärten,

Er 1        Die einst waren,

Sie 2       Und von einem neuen Ursprung.

 

Sie singen beide ein Lied.

 

Die Zeit der Gummibärchen ist vorbei,

Sie schrien umsonst

Nach einer dummen Freiheit.

Kinder haben die Bonbons gegessen;

Von den aufgeblasnen Tüten

Blieb ein Knall.

 

Man lässt das Unkraut

Wieder in den Gärten wachsen.

Zwischenwege, die einst waren,

Sind vergessen.

 

Irgendwo entsteht ein neuer Ursprung,

Den erkennt man

An der ausgestreckten Hand.

Die schneidet einfach Fenster

In die Landschaft.

Das bringt Raum

Und großen Abstand.

 

 

Lied Seite 88

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Akt, 2. Bild, "Ein Kind? Trennung? Freundschaft?

Straße

Männerliebe? Männerhass? Oder Suche nach der Freiheit?"

Vor dem Ausgang der Firma. Feierabend. Gegenüber ein Straßencafe.

Er 1 kommt aus dem Haus. Ihm folgt Sie 2 .

Ein Telefonhäuschen.

 

Sie 2       Warte bitte, warte doch.

               Ich muss dich sprechen, wart' auf mich.

Er 1        Ich hab' dich nicht gesehn. Wie schön. Was gibt es?

 

Sie gibt ihm die Hand, die er sich schnell an den Mund führt.

 

 

Er 1        Danke, dass du mit mir sprichst.

Sie 2       Es geht zu Ende, weißt du's schon?

Er 1        Was geht zu Ende, ich versteh' dich nicht,

              Was meinst du.

Sie 2       Na, mit uns, mit meinem Job.

              Ich hab' gekündigt.

Er 1        Nein, das gibt's doch nicht. Wieso, warum.

              Schmeißt man dich 'raus?

Sie 2       So ähnlich.

Wir bekommen neue Chefs, die bringen ihre Damen mit.

So hat man' s uns gesagt.

Wir soll'n uns darauf vorbereiten.

Heißt im Klartext: War sehr nett mit Ihnen,

Gute Reise:

Er 1        Wer hat das gesagt.

Sie 2       Die Personalabteilung.

Sagen zwar, das ganze hätt' noch Zeit,

Und dass man uns nur darauf vorbereiten wollte,

Aber trotzdem...

Er 1         Du hast Ernst gemacht und gleich gekündigt.

              War doch ganz bestimmt nicht nötig.

Das ist schlimm. Ich kann es gar nicht fassen.

Und zu wann? Was wird aus uns?

Sie 2       Ich weiß nicht. Kommt dir doch entgegen, oder?

              Nein, verzeih, das war nicht so gemeint.

Er 1        Es reicht. Ich find' wir haben uns genug gequält.

              Den ganzen Tag denk' ich nur noch an dich.

Ich kann an überhaupt nichts anderes mehr denken.

Tag für Tag. Das weißt du doch.

Ich hab' dich immerzu vor Augen.

Sie 2       Siehst mich aber trotzdem nicht.

              Siehst mich nicht einmal an.

Du könntest dich doch wenigstens 'mal melden.

Aber nichts!

 

Er 1      Ich weiß. Versteh mich selber nicht.

            Mach' alles falsch.

Aus dir werd' ich genauso wenig schlau.

Was soll nur aus uns werden.

Und Zuhause bin ich auch nicht mehr wie früher.

Die Familie leidet unter mir.

Benehme mich, als ginge sie mich nichts mehr an.

Ich hab' mich ganz zurückgezogen.

Gebe vor zu schreiben. Stimmt sogar.

Ist trotzdem nur ein Vorwand.

Alles, was mir früher wichtig war,

Hab' ich ganz hinten an gestellt.

Mein Glauben macht mir Sorgen.

Sie 2    So, dein Glauben macht dir Sorgen. Intressant!

            Sonst nichts.

Er 1      Doch andres auch.

Mein Gott, du wirst doch nicht so einfach gehen wollen,

Nicht so schnell.

Vielleicht kannst du die Sache stoppen.

Sag', es wäre übereilt gewesen,

Dass du bleiben möchtest, wenn es geht.

Du wärest überrascht gewesen.

Sag, du würdest auch in eine andere Abteilung geh'n.

Versuch es bitte.

Sie 2    Gut, ich kann's versuchen. Alles hat noch Zeit.

            Soll erst im Herbst passieren.

             Wirklich nicht sofort.

Er 1      Die haben dich beleidigt?

Sie 2    Ja, natürlich. Ist doch unverschämt.

Was die sich leisten, wie die mit mir umgehn!

Er 1      Hast j a recht.

              Dein Übereifer war trotzdem nicht nötig.

Er 1      Zieh die Kündigung zurück.

            Ich werde sagen, dass wir dich

            In unserer Abteilung brauchen.

            Ja, das geht vielleicht.

Sie 2     Vielleicht.

 

Er 1      Hast du nicht einen Augenblick dabei

            An mich gedacht?

An Trennung hätte ich von mir aus nie gedacht.

Vielleicht auch besser so.

Sie 2     Dein Kartenhaus?

Er 1      Ein Vorhang wird zerrissen. Mittendurch.

Sie 2     Das heißt?

Er 1      Ich seh' jetzt deutlich,

Was ich zu verlieren habe.

Wolltest du das wissen?

Ich darf nicht zu Ende denken.

Echter Wahnsinn könnte so beginnen.

Sie 2     Wir sind doch nicht aus der Welt.

            Ich war in Wut und hab' nicht lange nachgedacht.

Er 1      Wahrscheinlich hast du recht.

Viel mehr als Freundschaft würde sowieso

Nicht übrig bleiben.

Sie 2     Meinst du? Sag' mal, willst du nicht verstehn?

              Du tust, als wäre meine Kündigung

ür uns von Nachteil.

Ist doch ganz genau das Gegenteil.

Wir können uns viel unbeschwerter treffen.

Wann und wo wir wollen.

Alles wird bequemer, viel bequemer.

Siehst du das nicht ein?

Er 1      Ich sehe, dass du mir verloren gehst.

Es ist schon schlimm, dass unsre Liebe keine Liebe war,

Aus unsrer Liebe keine Liebe werden wird.

Dass ich dich aber nicht mehr sehen soll und darf,

Ist viel, viel schlimmer.

 

 

Sie2  lacht auf.

 

Sie 2       Wenn ich in diesem Haus nichts werden kann

               Und dich nicht lieben darf,

               Werd' ich Gewalt anwenden.

Er 1        Du, Gewalt? Und gegen wen?

 

Spöttisch.

 

Er 1        Und ohne Waffe wirst du gar nichts werden können.

Sie 2       Das ist kein Problem.

Ich hab schon lange eine Waffe.

Wenn nicht gegen dich, dann gegen einen andren.

Eine Waffe jedenfalls ist kein Problem.

Genau genommen, weiß ich, wo mein Vater eine hat.

Ich kann auch damit umgehn.

Hat er mir gezeigt.

Hab selbst damit geschossen.

Ich weiß ganz genau damit Bescheid.

Sie liegt versteckt. Na ja, das ist nicht schwer.

Die Wohnung ist sehr klein.

Du brauchst nicht blass zu werden.

Er 1        In Gedanken hast du mich schon paar Mal umgebracht,

               Nicht wahr?

Sie 2       Vielleicht, vielleicht auch einen anderen.

               Dich will ich erst noch lieben.

 

Sie 2 kommt ganz nahe an sein Gesicht.

 

 

Sie 2      Weißt du doch.

Er 1        Dass du an eine Waffe kommst,

Allein schon, dass du daran denkst...

Und was du in Gedanken damit machst, ich sage in Gedanken..

Sie 2       Du hast Angst vor mir?

Er 1       Ich weiß nicht. Nein, ich glaube, nein.

              Ich würde mich nicht fürchten,

              Dir zu unterliegen.

              Andrerseits, die Sache könnte wirklich unsanft enden.

Sie 2       Wird sie nicht. Du bist das Pfand dafür.

Er 1        Du weißt nicht, dass ich irgendwie ganz gerne

              Durch dich sterben würde.

Nein, du weißt nicht, was mir das bedeuten würde.

Kannst es ja nicht wissen.

Ist ein Abgrund, fast pervers,

Empfinden, weißt du, wider die Natur.

Sie 2       Beschreib' es mir. Ich denke auch viel Schlimmes.

              Denkt doch jeder.

 

Er 1        Es wär eine Krönung, Glück, Befriedigung,

              Befreiung, alles, wenn mein Tod

Durch dich, durch meine Liebe zu mir kommen würde.

Wenn ich ihn durch dich erhalten würde.

Eine Art Verschmelzung wäre es.

Ja, eine Art Verschmelzung, aber nicht mit dir,

Nein, nur mit mir.

Es wäre unvorstellbar.

Sie 2       Tritt nicht ein.

              Gewalt wend' ich nicht an.

Er 1        Es wär' ein Hochgefühl.

Mit einem Schlag wär' ich aus allem 'raus

Und endlich frei.

Sie 2       Das ist die Lust an Selbstzerstörung.

              Ganz normal. Nicht weiter schlimm.

              Die Tür verschließ dir wieder.

Er 1        Bis auf einen kleinen Spalt.

 

 

 

Ironisch.

 

Er 1        Viel Glück, Madame.

               Ich biete mich als Opfer an.

Sie 2       Du sollst kein Opfer sein.

 

Sie2  ist nun sehr ernst und sehr einschmeichelnd. Nah an ihm.

 

Sie 2       Ich möchte dich um etwas bitten.

Ja, ich glaube es ist Zeit,

Dass ich's dir sage.

Er 1        Wenn ich deinen Wunsch erfüllen kann.

Sie 2       Es ist sehr ernst. Ich habe lange überlegt,

               Wie ich's dir sagen soll und wann.

Er 1        Dann sag' es schnell.

Sie 2       Ich will dich bitten, einfach bitten,

               Weil ich denke, dass du's nun auch selber möchtest.

 

Sie 2 legt ihm den Finger auf den Mund.

 

Sie 2       Schlaf mit mir, weil ich es will.

Und nicht nur so, nein richtig, ganz.

Versteh mich gut:

Ich will ein Kind von dir. Ich bitte dich.

Ich möcht' ein Kind von dir.

Mach mir ein Kind. Ich will's von dir

Und von sonst keinem. Nur von dir.

Du sollst dann deine Ruhe haben.

 

Sie 2 lacht wieder etwas.

 

Sie 2       Kannst uns jederzeit besuchen. Wann du willst.

 

Er 1 ist entrüstet.

 

Er 1        Wer ist das: "uns". Dein Mann und du vielleicht?

               Du bringst mich doch noch um.

 

Sie 2 streichelt ihm übers Haar.

 

Sie 2       Dein blankes Fell soll sich nicht sträuben,

Lieber. Hör doch zu:

Dein Kind und mich. Uns zwei, sonst keinen.

Kannst zu mir und deinem Kind, so oft du willst.

Am Tag und Nachts.

Kannst kommen, wann du willst.

Ich gebe alles auf, das schwör' ich dir.

Das Kind und ich sind nur noch für dich da.

Er 1        Das glaub' ich dir auch ohne Schwur.

 

Er 1 küsst ihr die Stirn.

 

Er 1        Und wovon wollt ihr leben?

Sie 2       Weiß ich nicht. Das findet sich. Von irgendetwas.

               Kann doch sein, dass du mit deinen Büchern

Über Nacht erfolgreich bist.

Das wär' doch möglich.

Er 1        Triffst natürlich gleich auf meine schwächste Stelle.

Sie 2       Tut mir leid.

Das ist dein Ehrgeiz, weil er unbefriedigt ist.

Man muss dran glauben.

Ich glaub' felsenfest daran.

Er 1        Das macht dich lieb und wert.

          Doch sonst wirfst du mich wieder völlig aus der Bahn.

          Ein Kind von mir. Ich hätte längst drauf kommen sollen.

          Wie stellst du dir das nur vor?

Sie 2       Ich denke nicht, ich liebe Dich!

Er 1        Ich hab' mir so viel andres vorgenommen.

          Einen Berg zu schreiben, das ist eins davon.

          Du müsstest ewig warten.

               Nein, ein Kind, das kann nicht sein.

 

Sie 2 lacht.

 

Sie 2       Ich sag' ja nicht sofort. Nicht hier.

               Ich habe Zeit. Ich warte.

Du wirst von alleine kommen, glaube mir.

Du wirst von ganz alleine kommen.

Er 1        Immer wieder liegt's an mir.

          Von mir hängt wieder alles ab.

          Ich darf es aber nicht.

Du hast doch deinen Mann. Sei nicht so dumm.

Knöpf' deine Bluse auf, zeig' ihm

Die Frau darunter.

Blind und steinern müsst er sein,

Wenn er dich übersehen würde.

Den mach dir zum Vater deines Kindes.

Nebenbei hat er auch noch ein Recht darauf.

Geh zu ihm hin.

 

Sehr ironisch.

 

Er 1        Sei brav und sei ihm "untertan".

Du wirst schon alles richtig machen.

Sie 2       Du verstehst mich nicht, um Himmels Willen.

               Du verstehst mich falsch.

               Das ist doch etwas völlig anderes.

 

Sie 2 sieht ihn von der Seite an.

 

Sie 2       Du kannst dich nicht in das Gefühl versetzen,

Das ich hab', das eine Frau hat.

Muss ich mich von einem Stückchen Glas,

Das Spiegel heißt, belügen lassen?

Muss ich mich bei meiner Morgentoilette

Ganz allein genießen, meinen Körper,

Die Ästhetik eines schönen Leibes?

Ja, ich liebe meinen Körper,

Und dies Glücksgefühl, wenn ich mit beiden Händen

Meine Haut abtaste.

Dieses Prickeln will ich nicht für mich behalten.

Jemand soll es mit mir teilen.

Nein, ich will mich nicht alleine haben.

Jemand soll mir alles abverlangen,

Auch das Glücksgefühl. Ich geb' es gerne

Und mit Widerstand.

Ich will nicht tot im Spiegel stehn,

Vor meiner Angst allein zu sein.

Ich brauche dich.

 

Pause.

 

Sie 2       Auch wenn du nichts davon verstehst,

Versteh mich trotzdem gut:

               Ich will ein Kind von dir

          Und nicht von meinem Mann

          Und nicht von irgendeinem Mann

          Ich will es nur von dir.

Von dir will ich ein Kind, von dir, von dir,

Von dir, und davon lass' ich nicht.

Ich wollte es vom ersten Augenblick,

Als ich dich sah.

Von Anfang an warst du der Mann,

Der hinter meinem Spiegel stand.

Dich hab' ich dauernd angesehen,

Und du sagst es selbst:

Du siehst mich dauernd an.

 

Hinter ihnen geht die Tür auf.

Sie werden durch die Freundin gestört.

 

Fr            Ihr steht hier immer noch?

               Ich hab' euch schon vom Fenster aus gesehn.

Sie 2       Ich muss jetzt los.

               Ist viel zu spät inzwischen, hab' noch einzukaufen.

 

Sie 2 geht.

 

Sie 2       Dann bis morgen.

Er 1        Ja, bis morgen.

Fr            Hat sie'was? Ich wollt' nicht stören. War so kurz.

Er 1        Nein, dass Sie kamen, war ganz gut.

               Sie hat mir etwas anvertraut.

Fr            Die Sache mit der Kündigung, nicht wahr?

               Betrifft mich auch.

               Wir sind verärgert.

Er 1        Sie hat daraus gleich die Konsequenz gezogen.

Fr            Ja, mein Herr, so ist das.

Er 1        Nein, sie hat mir etwas andres anvertraut.

               Ich würde gern' darüber sprechen, Sie 'was fragen.

Fr            Was denn, bitte. Wenn ich helfen kann.

Er 1        Als ihre Freundin wissen Sie ja sowieso Bescheid.

Fr            Ich weiß nicht alles.

               Man kann aber über alles mit mir reden.

Er 1        Wissen eigentlich die Leute im Büro Bescheid?

               Ich meine hier im Hause? Über uns?

Fr            Die Leute? Über wen.

Er 1        Na, über mich und Ihre Freundin, Dass wir uns sehr mögen.

Fr            Was, Sie zwei?!

 

Sie lacht und ist total überrascht.

 

Fr            Das hör' ich selbst zum ersten Mal.

Das kann nicht sein. Das weiß kein Mensch.

Um Gottes Willen:

Die ist doch verheiratet.

Sie haben Kinder.

Er 1        Wissen Sie, ich habe keinen Freund.

Ich habe niemanden, mit dem ich einmal d'rüber

Sprechen kann. Ich dachte mir,

Sie wüssten alles.

Fr            Nein, ich hatte keine Ahnung.

Er 1        Wissen Sie, wir lieben uns.

          Das ist die eine Seite.

          Andrerseits ist nichts geschehen zwischen uns.

          Nichts, überhaupt nichts.

Nur, dass wir uns sehr, sehr quälen.

Weiter nichts.

Es ist ein Wahnsinn, so sehr lieb' ich diese Frau.

Es wäre alles glatt und gut,

 

Er zögert,

 

Er 1        Wenn ich mich nicht so sperren würde,

Kann mich nicht entschließen, nachzugeben.

Immer wieder halte ich mir tausend Sachen vor:

Es darf nicht sein, es ist verboten und so weiter.

Antiquiert, nicht wahr? Ich bin nun so.

Sie sagt ich bin aus Blech.

Das ist nicht wahr.

Ich zwing' mich nur, nichts zu verraten.

Das in einer Zeit, wo Treue gar nichts gilt.

Man macht sich lächerlich,

Wenn man es nur erwähnt. Ich find' da nicht heraus.

Fr            War wirklich weiter nichts?

          Zu mir hat sie kein Wort gesagt.

          Geschwiegen hat sie wie ein Grab.

          Sie können letzten Endes froh sein,

          Wenn nichts weiter war.

Sonst wär' doch alles viel, viel komplizierter.

Wenn Sie nun ein wenig Abstand hielten?

Er 1        Hab' ich ja versucht.

               Ich halt's nicht durch.

Es macht mich innerlich kaputt.

Ich nehm's mir immer wieder vor.

Und wenn sie vor mir steht,

Ist jeder Vorsatz hin. Und ich bin froh darüber.

Fr            Manchmal regeln sich die Dinge von allein.

               Man soll nichts übereilen.

Er 1        Tag und Nacht denk' ich an diese Frau.

               Sie herrscht total in meinem Kopf.

Fr            Ein bisschen Liebe kann doch auch nichts schaden, oder?

Er 1        Ja, ich weiß.

Ich seh' mich selbst als Trottel,

Weil ich die Gelegenheit verstreichen lass',

Die kommt so bald nicht wieder.

Fr            Sie sind viel zu selbstbeherrscht.

               Wie ist es denn bei ihr?

               Ich glaub', sie hätte lieber eine ganze Sache.

 

Es zieht eine Gruppe Jugendlicher die Straße herauf.

Sie setzt sich an den Straßenrand und spielt mit einer dressierten Ratte.

Die Jugendlichen, Jungen und Mädchen, machen einen sehr aggressiven Eindruck.

 

Er 1        Es ist meine Schuld, weil ich mich immer wieder sperre.

          Ihretwegen hätt' es kein Problem gegeben.

So ist alles Krampf.

Sie weiß, dass ich sie liebe.

Fr            Die spiel'n mit 'ner Ratte.

Er 1        Ekelhaft.

Fr            Und sonst war wirklich nichts?

               Das kann ich gar nicht glauben, aber das soll's geben.

Er 1        Meinen Sie die Ratte, oder mich?

Nein, außer Küsschen schenken, lieben Worten,

War da nichts.

Sie sieht kein einziges Problem für sich.

Die Pille nimmt sie auch nicht.

Sie hat mir aus Spaß gesagt,

Dass sie an eine Waffe kommt.

Fr            An eine Waffe? Was soll das denn heißen?

 

Er 1 leicht spöttisch.

 

Er 1        Daran sehen Sie, wie ernst es ist.

          Mir ist es jedenfalls ganz lieb,

          Wenn jemand davon weiß.

Es macht mir aber keine Sorgen.

Die Geschichte nicht.

Fr            Was denn? Gibt's noch was anderes?

Er 1        Sie sind doch eine Frau. Vielleicht verstehn Sie es.

               Mich hat sie völlig überrascht:

Sie will ein Kind von mir.

Sie will es nicht von ihrem Mann,

Sie will es nur von mir.

Nun weiß ich nicht mehr, was ich machen soll.

Fr            Na, die ist gut.

               Das sagt sie so?

Er 1        Ganz offen auf der Straße, eben grad'.

 

Über die Straße kommt ein Schwuler,

der sich aufdringlich als Postbotin verkleidet hat,

auf Er 1 zu, bleibt vor ihm stehen und winkt dann ab.

 

Fr            Was will denn der?

Er 1        Das weiß ich nicht, der war doch schwul.

Fr            Den mein' ich nicht.

               Ich meine den da!

 

Man sieht jetzt, wie Er 2 die Straße heraufkommt.

 

Fr            Warten Sie noch auf Besuch?

Er 1        Wieso?

Fr            Dann drehn Sie sich' mal um: ihr Mann!

               Der will bestimmt zu Ihnen.

Er 1        Seine Frau ist doch schon weg.

Fr            Sie sollten ruhig bleiben.

Er 1        Zwischen ihr und mir ist nichts gewesen.

          Bin vielleicht ein bisschen weit gegangen.

          Ist natürlich schlimm für ihn.

Wenn er mich sprechen will, werd' ich mich wohl

Entschuldigen.

Fr            Das find' ich gut. Behalten Sie die Ruhe.

               Wie ein Schläger sieht er auch nicht aus.

 

Die Freundin geht fort.

Die Jugendlichen machen den Postboten an.

 

Ju           He, hast du keine Post für uns?

               Vielleicht 'ne warme Karte?

               Einer hebt die Ratte hoch.

Ju           Unsre Susi mag dich.

Darfst mal 'ran, wenn du sie streichelst.

Musst nur lieb sein.

Susi steht auf Männer.

Ju           Der kommt erst zu mir. Ich mag das auch.

 

Der Schwule geht beiseite, aber nicht fort

Er 2   kommt auf Er 1  zu.

Er 2   trägt einen Hut, den er aber nicht abnimmt.

Unter dem Arm trägt er eine kleine Tasche

 

Er 1        Zu mir? Aha. Und nicht zu Ihrer Frau?

Die ist ja auch grad' weggegangen.

Guten Abend erst 'mal.

 

Pause.

 

Er 1        Keine Antwort? Auch gut.

Er 2        Möcht' Sie sprechen.

Er 1        So?

Er 2        Nicht hier und nicht da drüben.

          Wenn es geht im Bahnhofsrestaurant.

          Mehr werde ich nicht sagen, bis wir da sind.

          Gehen wir!

Er 1        Moment. Nicht ganz so schnell.

Ein bisschen flegelhaft, nicht wahr?

Den Hut nimmt man natürlich auch nicht ab.

Von mir aus. Aber bis da hinten geh ich nicht.

Vielleicht erklär'n Sie 'mal worum es geht.

Es spricht doch nichts dagegen, oder?

 

Pause.

 

Er 1        Wenn wir uns schon jetzt mal unterhalten.

Bis zum Bahnhof geh ich nicht!

Sie woll'n doch mit mir reden, ja?

Von mir aus. Gehn wir ins Café.

 

Pause.

 

Er 1        Ach ja, Sie sagen nichts. Ärgerlich.

Mein Gott, es geht um Ihre Frau.

Hör' n Sie 'mal zu:

Wir sind doch beide nur aus Fleisch und Blut.

Sie haben eine schöne Frau.

Ich find' sie schön. Geb' ich ja zu.

Und Sie doch sicher auch.

Ich mag sie gern', sehr gerne, zugegeben.

Aber, wenn Sie wissen wollen, ob es da was gibt,

Dann sag' ich: Fehlanzeige.

Ist nichts zwischen ihr und mir.

Das ist die Wahrheit.

Zwischen ihrer Frau und mir war nichts, gar nichts.

Und ich verspreche Ihnen,

Zwischen ihr und mir wird niemals etwas sein.

Ich hoffe, dass Sie das beruhigt.

Was ist, immer noch kein Wort?

Sie denken an die Zukunft?

Muss ich passen.

Ich weiß nicht, was Ihre Frau sich vorgenommen hat.

Das müssten Sie sie selber fragen.

Na, noch immer stumm?

Wenn Sie nicht reden wollen,

Komm' ich nicht mehr mit.

Ach, blöde Kinderei! Ich geh' nach Haus.

Auf Wiedersehn !

 

Er 1 will gehen. Er 2 sehr scharf.

 

Er 2        Ich werde Ihnen ja nichts tun.

               Dann gehn wir eben ins Cafe.

Er 1        Wie soll das enden? Aber meinetwegen.

Ich ruf' schnell Zuhause an und sag' Bescheid.

Es wird doch später.

 

Er 1 geht an den Münzfernsprecher,

bekommt aber keinen Anschluss.

 

Er 1        Immerzu besetzt. Vielleicht auch besser so.

Wer weiß. Jetzt ins Cafe?

Ich möchte draußen sitzen.

 

Er 2 hängt seinen Mantel an den Haken, den Hut daneben.

Er 1 legt seinen Mantel neben sich über einen andren Stuhl.

Ein Ober kommt.

 

Er 2        Whisky bitte, ohne Eis.

Er 1        Die Sprache ist zurückgekehrt, wie schön.

          Für mich nur Kaffee, bitte. Hab' dann wenig Zeit.

          Ich zahle gleich.

 

Der Ober geht, kommt mit der Bestellung.

Er 1 zahlt.

 

Er 1        Die Schweigerei ist mir zu dumm.

          Sie stehl'n uns doch die Zeit. Mir jedenfalls.

          So eine Kinderei!

 

Er 2 ist erfreut.

 

Er 2        Sie ärgern sich? Das ist sehr gut.

               Dann hab' ich Sie so weit.

               In meiner Tasche ist ein Brief.

Er 1        Nein, nicht schon wieder!

               Gott, ich werd' verrückt.

Er 2        Sie bleiben. Ah, da ist er.

               Kennen Sie die Schrift?

 

Er 2 legt Er 1 den Brief auf den Tisch.

 

Er 1        Sie sind ja krank.

               Ich will den Brief nicht haben.

 

Er 1 sieht auf den Umschlag.

 

Er 1        Ist von Ihrer Frau. Soll das die Überraschung sein?

          Mein Gott, wie ist das schlimm.

Er 2        Das erste, was Sie heute lernen sollten,

          Haben Sie gelernt.

          So ist es, wenn man nicht mehr angenommen wird.

          Ich hab' geschwiegen, nur damit Sie das begreifen.

          Ist geglückt.

          So ist es, wenn man ohne Antwort spricht

          Und Briefe ungeöffnet lässt.

          So fühlt man sich,

          Wenn man sich zum Empfänger seiner eignen Schreiben

          Macht.

          Beinahe jedenfalls.

Er 1        Sie hätten Lehrer werden sollen.

               Sind Sie fertig, kann ich geh'n?

Er 2        Sie sind ein rücksichtsloser Mensch.

               Hier ist der Brief von meiner Frau.

               Sie könn'n jetzt lesen.

Er 1        Danke, keine Lust und kein Intresse.

Er 2        Gut, dann les' ich vor.

               Sie können noch mehr lernen.

Er 1        Schön! Von wem, von Ihnen etwa?

Er 2        Nein. Ich denke über sich.

Er 1        Ich geb' es auf. Sie hab'n gewonnen.

          Ich geb' nach, damit Sie endlich Ruhe geben.

          Lesen Sie. Ich hör's mir an.

          Sie wissen sicher, was sie schreibt,

          Sonst wär'n Sie doch nicht so erpicht darauf.

          Dann ist es sowieso egal.

          Und nicht so laut. Die brauchen nichts zu hören.

 

Er 1  zeigt auf die Jugendlichen.

 

Er 1        Kennen Sie den Inhalt oder nicht.

 

Er 2 ist erleichtert.

 

Er 2        Nur oberflächlich.

               Meine Frau hat angedeutet, was sie schreiben wollte.

 

Er 2 sieht Er1  mit langem Blick an.

 

Er 1        Und? Was gibt's. Was seh' n Sie mich so an?

               Ich denk', Sie wollen lesen, ja?

 

Er 2 liest.

 

Er 2        Du bist ein Schwein! Sadistensau!

          Dir geht's nur gut, wenn du mich leiden siehst.

          Du kümmerst dich 'nen Dreck um mich.

          Wie kannst du das ertragen.

          Lies, dass ich mich dafür rächen kann.

          Ja, ich will Rache.

          Du behauptest mich zu lieben? Du liebst nichts.

          Du liebst nur meine Quälerei.

          Ja, darin bist du Meister.

          Meine Quälerei wird dir zur Lust.

          Damit befriedigst du dich selber.

          Und du weißt es auch: Du bist der Stärkere.

          Du kannst mich leiden lassen,

          Weißt, dass ich dir...

Er 1        Nein, um Gottes Willen: Hör'n Sie auf!

          Der ist doch nie von ihr. Den hat sie nie geschrieben.

          Und Sie sollten leise lesen.

          Damit meint sie mich doch nicht.

          Ich schäme mich in Grund und Boden.

          Nein, ich glaub' es nicht.

 

Er 2 lächelt überlegen und liest weiter.

 

 

Er 2       Du kannst mich leiden lassen,

              Weißt, dass ich dir unterlegen bin,

              Weil ich zu meiner Liebe steh'.

Er 1       Ich schäme mich.

Er 2       Ja, schrei nur auf. Das tu ich auch.

              Ich will dich einmal peinigen,

              Wie du es täglich mit mir machst.

              Von Anfang an hast du mich so gepeinigt.

              Jetzt zahl' ich mit gleicher Münze heim.

              Hör' zu, lies weiter.

              Ich hab' nachgedacht, wie ich dich treffen kann.

              Ich will dich schwer verletzen.

              Stell dir vor, ich wär' bei einer andren Frau,

              Und du wärst auch dabei.

              Ich habe aber vorgesorgt:

              Entlaufen kannst du nicht, und deine Neugier

              Zwingt dich unentwegt uns zuzuschaun und zuzuhör'n.

              Du kannst es noch nicht fassen,

              Aber, was du siehst, ist Wirklichkeit,

              Das weißt du auch.

              Ich bin mit ihr intim. Wir lieben uns

              Nach Strich und Faden. Das verstehst du nicht,

              Das kannst du nicht begreifen, nicht?

              Ich lieg...

 

Er 1       Ich mag das nicht mehr hören.

              Schämen Sie sich selber nicht, das vorzulesen?

              Sie, ihr Mann?

              Das hat sie niemals selbst geschrieben.

              So ein Unsinn. Welch ein Abgrund.

Er 2       .., lieg' bei dieser andren Frau, und du siehst zu.

              Das schmerzt, nicht wahr? So ist es recht.

              Dann knie ich mich vor sie und rufe, rufe, rufe,

              Dass du es in deinem Leben nicht und nie vergessen wirst,

              Ich rufe deinen Namen.

              Immer wieder deinen Namen, deinen Namen.

 

 

 

Er 2 faltet den Brief zusammen.

 

Er 1        So 'was würd' sie niemals schreiben.

               Nein, das hab' ich nicht verdient.

Er 2        Und nicht erwartet.

 

Er 2 ist um Er 1 besorgt.

 

Er 1        Dass Sie das noch lesen mögen.

          Ihre Frau mit einer andren Frau...

          Das könnt ich nicht ertragen.

          Darin hat sie recht: sie trifft mich schwer damit,

          Obwohl es alles kümmerlich und niedrig ist.

Er 2        Es ist nicht alles Phantasie bei ihr.

Er 1        Ich weiß.

               Anscheinend freut Sie das auch noch.

 

Er 2   streckt langsam den Arm aus und legt ganz liebevoll

seine Hand auf den Arm von Er 1 . Der gerät fast in Panik.

 

Er 2        Sie brauchen keine Angst zu haben.

               Ich versteh Sie gut. Ich weiß genau,

               Was jetzt in Ihnen vorgeht.

Er 1        Gar nichts wissen Sie.

               Das mag ich überhaupt nicht.

               So 'was Ähnliches hab' ich mir immer schon gedacht.

 

Er 1 nimmt seinen Mantel und will gehen.

 

Er 1    Wahrscheinlich hab'n Sie selbst den Mist geschrieben,

          Einfach ausgedacht,

          Und ich Idiot fall' darauf 'rein.

Er 2        Hier ist der Umschlag. Ist an Sie.

               Ist alles ihre Schrift und ihre Unterschrift.

Er 1        Und wenn schon, das soll sie mir selbst bestätigen.

               So glaub ich gar nichts.

 

Er 1 geht und bleibt nach ein paar Schritten stehen.

Kommt dann wieder zurück.

 

Er 1        Wissen Sie, was mich an Ihnen stutzig macht?

          Nicht eine Vorhaltung von Ihnen, und Sie werfen

          Mir nichts vor.

          Sie woll'n nicht wissen, ob's was gibt und ob's was gab.

          Sie schrei'n mich nicht 'mal an.

          Kein Vorwurf, nichts.

          Sie hätten doch bestimmt...

          Ich meine Grund genug sich über mich zu ärgern.

          Ach, ich vergaß, dass sie ja alles gleich erzählt.

          Dann wissen Sie natürlich, dass nichts war.

          Ich möchte trotzdem wissen, was dahinter steckt.

Er 2        Von meiner Frau hab' ich gehört,

               Dass Sie sehr langsam sind.

Er 1        Wie nett, wie kommt sie darauf.

               Ach, natürlich. Sie hat recht.

               Es stimmt, ich schalte viel zu langsam.

 

Sehr scharf.

 

Er 1        Sie und Ihre Frau, Sie wollten sich mich teilen,

          Stimmt's. Ich frage, ob es stimmt!

          Ihr seid ein Teufelspaar!

          Und fassen Sie mich nicht noch einmal an,

          Als wär' ich eine Frau. Wie widerlich.

          Erst dieser Mensch in Frauenkleidern, und dann Sie.

 

Er 1  jetzt ganz ruhig.

 

Er 1        Ich habe selber schuld, ich weiß.

          Das darf ich nicht vergessen. Ich vergess' es leicht.

          Ja, alles meine Schuld.

          Damit es nun zu Ende geht, bitt' ich Sie um Entschuldigung.

          Von Mann zu Mann.

 

Er 1  streckt Er 2   die Hand hin.

Der schlägt aber nicht ein.

 

 

Er 1       Ich mein' es ehrlich. Nein? Sie wollen nicht?

Er 2       Es geht doch nicht darum.

Er 1       Wie bitte? Worum denn.

              Es geht um Ihre Frau.

              Das schwöre ich:

              Sie bleibt für mich der Engel, der im Feuer steht.

              Versteh'n Sie? Unerreichbar!

              Kann und will sie nicht erreichen.

              Alles, was ich je für sie empfand begrabe ich in mir.

              Es wäre schön, wenn Sie das als Beruhigung

              Mit sich nach Hause nehmen würden.

Er 2       Ja, ich weiß. Sie machen meiner Frau

              Das Leben schwer. Sie ist ein lieber Mensch.

              Wir beide streiten Ihretwegen oft

              Und nicht um Sie, wie Sie nun wieder denken.

              Aber das ist auch egal.

              Sie hat sehr viel für mich getan.

              Wir mögen uns sehr gerne.

              Ja, auf meine Weise lieb ich sie.

              Gewiss ganz anders als Sie es sich denken.

 

Er 1       Hör'n Sie zu, das war kein Spaß.

              Ich wiederhole es, und ich versprech’ es Ihnen.

              Ja, ich werd' mich danach richten:

              Ihre Frau fass' ich nie wieder an.

              Was heißt nie wieder. Angefasst hab' ich sie nie.

              Sie wissen aber, was ich meine.

Er 2       Ja, das ist es eben. Das versteht sie nicht.

Er 1       Versteht sie nicht. Aha.

              Verstehen Sie es denn?

              Versteh'n Sie beide nicht?

              Bin ich der einzige, der nichts versteht?!

Er 2       Sie sollten wissen, dass wir uns in großer Freiheit lassen,

              Meine Frau und ich.

              Ich lasse sie, und sie lässt mich.

              Wir mögen uns trotzdem sehr gerne.

              Meine Frau hat mir auch ihr Problem erzählt.

 

Er 1       Sie meinen mich?

              Sie meinen ich hab' ein Problem?

Er 2       Sie tun mir leid, und meine Frau bedauer' ich,

              Weil sie bei Ihnen nichts erreicht.

Er 1       Sie hätten also nichts dagegen,

              Wenn sich Ihre Frau und ich...

              Ein wenig näher kämen, irgendwie...

Er 2       Bestimmt nicht. Nein, warum auch.

              Jetzt ist sie in einem Zustand,

              Der ist unbeschreiblich.

              Ich versteh' es so:

              Sie schreit und ruft so laut es geht nach Ihnen.

              Wissen Sie, es ist ein innerlicher Schrei,

              Der hört in ihr nicht auf.

              Sie ist verzweifelt, sie ist innerlich zerweint,

              So sagt sie.

              Sie hat keine Tränen mehr.

 

 

Pause.

 

Er 2        Wenn sie sich diese Liebe wünscht,

          Kann man sie ihr doch geben. Ja, das denke ich.

          Sie möchte Sie.

Er 1        Es ist ganz einfach. Ja, Sie haben recht.

          Man gibt ein bisschen Liebe. Was ist schon dabei.

          Es wär' nicht schlecht und wäre nicht verwerflich,

          Wenn man sich...

          Wenn ich mir nicht dabei im Wege stünde.

Er 2        Sehen Sie. Da hab'n Sie ihr Problem.

Er 1        Sie haben wirklich recht. Es ist ganz einfach.

          Und das will sie?

          Und das woll'n Sie auch? Sie haben nichts dagegen?

          Warum find' ich nicht wie Sie die Leichtigkeit

          Mit Liebe, Treue umzugeh'n.

          Ich seh' es langsam ein:

          Ich bin es, der sich dauernd hindert.

          Nein, ich kann euch beiden wirklich nicht mehr böse sein.

 

Er 1  schlägt die Hände vor' s Gesicht.

 

Er 1        Der Dümmste von uns drein bin ich.

          Vielleicht sind Sie ein wenig schlechter dran,

          Vielleicht auch Ihre Frau.

          Doch was die Dummheit anbetrifft,

          Da bin ich Ihnen beiden haushoch überlegen.

          Nein, wie sollte ich ihr weiter

          Einen Vorwurf machen können.

          Ihren Brief kann man verstehen, ich versteh ihn fast.

          Es ist ein Schrei, ist ihre Art nach mir zu schrein.

          Und wenn sie leugnen würde, ihn verfasst zu haben,

          Wär' es fast noch schlimmer.

          Das kann keine Hoffnung sein.

Ganz sicher hat sie ihn geschrieben.

Nein, es brächte überhaupt nichts ein.

Und Sie...

Sie sind ein netter Kerl,

Soweit ich Sie verstehen kann...

Nein, heißt nicht mehr...

Ich sag' es ehrlich, dass es gut ist,

Dass wir einzig über ihre Frau Berührungspunkte haben

Und sonst nicht.

Er 2        Sie machen sich ein völlig falsches Bild von mir.

 

Er 1  steht auf, um endgültig zu gehen.

 

Er 1        So kann es jedenfalls nicht weitergehen.

So nicht und nicht so.

Ich glaube, dass es zwischen ihr und mir

Zu gar nichts kommen wird.

Ich habe Ihnen auch mein Wort gegeben.

Er 2        Das geb' ich zurück. Es ist nicht meine Sache.

Und, was Sie sich selbst und anderen versprechen,

Geht mich gar nichts an.

Ist auch nicht meine Sache.

 

Er 1  fragt nun ganz beiläufig.

 

Er 1        Übrigens, zum Schluss,

               Weiß Ihre Frau von diesem Treffen eigentlich?

 

Er 2   ist zutiefst erschrocken,

fast verzweifelt, und ergreift Er 1  am Arm.

 

Er 2        Ich bitte, ich beschwöre Sie.

Nur das nicht.

Sie darf nie ein Sterbenswort erfahren.

Das versprechen Sie mir doch.

Sie müssen es versprechen. Das Gespräch

Behalten Sie für sich. Ich bitte Sie darum,

Ich fleh' Sie an.

Sie wissen nicht, was das bedeutet.

Nein, sie weiß es nicht. Das würde sie mir nie verzeihn.

 

Er 2 sinkt in sich zusammen.

 

Er 2        Sie hat es mir verboten. Ausdrücklich verboten:

"Das geht dich nichts an," hat sie gesagt,

"Du darfst dich nicht in meine Angelegenheiten mischen."

Sie weiß ganz genau,

Wie sehr ich an ihr hänge.

Alles weiß sie über mich.

Es wäre furchtbar, gar nicht auszudenken.

Alles habe ich aus mir heraus getan.

Das könn'n Sie doch versteh'n. Versteh'n Sie doch.

 

Pause

 

Er 2        Nun sagen Sie doch bitte etwas.

 

Die Jugendlichen sind auf sie aufmerksam geworden.

 

Ju           Die sind doch ein Liebespaar.

               Und den Verrückten von der Post...

Ju           ...den hab'n sie abgetan, als wär' er Dreck.

Passt auf die Susi auf.

Das wär' ein schlechter Umgang.

Susi soll durch "solche" nicht verdorben werden.

Ju           Susi ist noch Jungfrau.

 

Er 1  ist verärgert.

Er 1  zu Er 2  .

 

Er 1        Sie sind ärmer dran, als Ihre Frau,

Und noch viel ärmer dran, als ich.

In Ihrer Haut möcht' ich nicht stecken,

Haben selbst Probleme,

Und 'ne Lösung hab'n Sie nicht in Sicht.

               Das hätte ich vorhin noch nicht gedacht.

Vor Ihnen möchte ich gern' teuflisch sein.

Ich hätte richtig Lust dazu.

Ja, die bekommt man hier.

Sie beide sind ein schwaches Paar,

Und über eure Teufelei kann ich nur lachen.

Jetzt kann ich darüber nur noch lachen.

Ich, der wirklich gar nichts dazu beigetragen hat,

Ich wollte keine Teufelei aushecken,

Ich bin nun der Teuflischste von allen drein.

Ganz gegen meinen Willen.

Alles, was ich tat, nicht so zu sein,

Hat mich dazu gebracht, dazu gemacht.

Ich lache über Sie, ich lach' Sie aus.

Gefahr, wie ich sie kenne,

Droht von Ihnen wirklich nicht.

Was mich bedroht, sitzt ganz woanders.

 

Er 1 schlägt sich auf die Brust.

 

Er 1        Hier

 

Er 1 schlägt sich an die Stirn.

 

Er 1        Und hier.

Gefahr, die mich bedroht, mein Gott,

Das ist die Wahrheit, droht mir nur vor mir.

Vor mir muss ich mich hüten.

Hier schließt sich der Teufelskreis.

Arm dran bin ich.

Wenn ich nach Hause komm,

Bleibt mir zum Weinen nur die Toilette.

Welch ein Scherbenhaufen, welch ein Scherbenhaufen.

Warum muss ich andere so quälen, warum quäl' ich mich.

Und keine Antwort, keine Antwort.

 

Die Jugendlichen kommen jetzt auf Er 1 zu.

Der will gehen.

Ein Jugendlicher setzt ihm die Ratte auf den Rücken.

Er 1 windet sich und ekelt sich.

 

Ju           Nicht so zimperlich. Die mag Sie.

          Das ist Susi. Susi ist noch unerfahren,

          Ist noch Jungfrau.

Er 1        Nehmt das Vieh da 'runter.

Ju           Sein Sie doch ein bisschen nett zu ihr.

               Sie will doch nur gestreichelt werden.

 

Die Jugendlichen machen es ihm vor.

 

Ju           So. Sie seh'n doch, so.

          Ganz leicht.

          Die schnüffelt immer.

          Susi, der hat Angst vor dir.

Er 1        Ihr sollt die Ratte 'runternehmen.

               Die kommt immer höher. So ein widerliches Vieh.

Ju           Der Kerl beschimpft die Susi. Hört ihr das?

               Hört euch das an.

Ju           Der kriegt 'was in die Wäsche.

               Mag die Susi nicht.

Ju           Die ist doch lieb.

Ju           Der hat doch keine Ahnung. Nehmt sie runter.

               Wenn er nicht begreift, was er für sie bedeutet.

Ju           Idiot.

               Die Susi läuft ihm ja fast nach.

Ju           Sie klettert unter seine Jacke. Hol sie 'raus.

Ju           Von mir aus. Susi, liebe Susi komm.

 

Er 1 steht ganz still und wartet ab.

 

Ju           Aha, er hat begriffen.

               So ist's gut. Das mag sie gern'.

Ju           Jetzt macht sie ihm auf's Hemd.

Ju           Er weiß nicht, dass das Glück bedeutet.

               Bloß nicht wackeln. So, nun komm, du süßes Tier.

Ju           Die Ratten fühl'n sich wohl,

               Wenn Teufel in der Nähe sind.

 

Die Jugendlichen lachen.

 

Ju           Sie will nicht von ihm lassen.

 

Er 1 versucht zu helfen.

 

Ju           Und er nicht von ihr.

               Jetzt plötzlich liebt er sie. Die arme Susi.

Ju           Erst beschimpft und dann verführt.

               Die Jugendlichen zieh’n wieder ab.

Er 1        Mein Gott, wie ekelhaft.

Er 2        Die Jugendlichen lieben sie anscheinend.

Er 1        Das mir das passieren musste.

               Ich hab' keine Zeit mehr.

Er 2        Wiedersehen.

 

Er 1 geht.

 

3. Akt, 3. Bild; "Befreiung durch Zerstörung"

Drei Träume

Abends. Er 1 und Sie 1 sind schon im Bett.

Man sieht sie nur schwach.

 

Sie 1       Die letzten Nächte hast du wieder laut

               Im Schlaf gesprochen.

Er 1        Kann man das versteh'n? Fragst du mich aus?

Sie 1       Das kann man nicht, ich will's auch nicht.

               Du rufst und rufst.

Er 1        Wenn ich um Hilfe ruf', musst du mich wecken.

Sie 1       Weißt du wenigstens, wovon du träumst, und was?

Er 1        Nein, es ist alles weg.

          Du kannst von mir aus gerne

          Träumerin in meinen Träumen sein.

Sie 1       Ich glaube nicht, dass sich das lohnt.

               Es sind nur Brocken, die du sprichst.

Er 1        Und du wachst davon auf?

Sie 1       Ja, meistens.

 

Es wird dunkel.

Das Bett von Er 1 bleibt als helle Silhouette im Raum.

Jetzt kommt Er 1 zur Tür herein.

Er 1 ist angezogen, aber man merkt, dass es ein Traum ist.

Er 1 kommt in ein Museum.

 

 

1. Traum:

An der Wand hängt eine übergroßes, nachempfundenes

Bild von Artemisia Gentileschi: Judith enthauptet Holofernes.

Davor steht ein Sofa, wie auf dem Bild.

 

 

Judith

 

 

© AKG332488_Low_res

 

 

Er 1        Gut , dann muss ich eben wieder selber Träumer

          Meiner Träume sein. Geschenkt. Wenn sie nicht will.

          Ich hab's ihr angeboten. Wollte nicht. Zu dumm.

          Was weiß sie schon von mir.

 

Sie 2 tritt ein. Hinter ihr die Freundin. Man erkennt

Sie 2 wieder, aber sie und ihre Freundin

haben sich wie auf dem Bild gekleidet.

 

Sie 2       Ich bin für deine Frau gekommen.

Hast die Falsche eingeladen.

Ich komm' gern' als Träumerin in deinen Traum.

Ich bin ganz scharf auf deine Träume.

Die soll'n meine Wahrheit werden.

Fr.           Ja, mein Herr, so ist das.

Sie 2       Die steht ganz auf meiner Seite.

Fr.           Ja, mein Herr, so ist das.

 

Er 1  zeigt auf das Bild.

 

Er 1        So ein Schinken.

Jeder sieht sofort, dass die noch nie

Gemordet hat. Hat keine Übung.

Und die Malerin...

Die säbelt ihm am Hals herum.

Sie 2       Sie schafft es aber.

Er 1        Wie soll der denn dabei sterben.

               So wird' s lange dauern.

Sie 2       Judith tötet ihn aus Liebe. Tod aus Liebe dauert lange.

Fr            Ja, mein Herr, so ist das.

Er 1        Nein, sie tötet nicht aus Liebe. Oder doch?

Sie 2       Wir werden seh'n.

Leg dich hier her und halte still

Und lass es dir gefallen.

 

Er 1  klettert brav aufs Sofa.

Sie 2 holt einen viel zu großen Säbel aus dem Kleid.

 

Er 1        Vorher hat sie ihn geliebt. Jetzt weiß ich's.

               Ja, so war es.

               Also hat sie ihn geliebt.

Sie 2       Du wolltest keine Liebe. Nun sei ruhig.

Fr            Sehen Sie, mein Herr, so ist das.

 

Er 1  zur Freundin.

 

Er 1        Und Sie helfen ihr dabei?

               Das hab' ich mir doch gleich gedacht.

 

Er 1  legt sich hin. Alle drei nehmen nun ohne jeden Kampf

die Posen ein, wie auf dem Bild. Dann stimmt die Stellung.

 

Sie 2       Du denkst, du träumst, du Schwein!

               Sadistensau! Der Säbel ist von meinem Vater!

               Halt' ihn fester!

Fr            Ja, mein Herr, so ist das.

Er 1        Noch doch nicht. Ich hab' noch so viel vor.

               Wir woll'n uns doch noch lieben!

Sie 2       Das ist jetzt vorbei. Zu spät!

               Ich will jetzt meine Rache.

 

Sie 2 schneidet ihm den Kopf ab. Es fließt viel Blut.

Es wird ausgeblendet. Man sieht wieder nur das Bett von Er 1 .

Er wälzt sich hin und her.

Er 1  ist wieder im Museum.

 

2. Traum:

An der Wand hängt ein übergroßes, nachempfundenes Bild

von Tamara de Lempicka:

Junges Mädchen in Grün .

Auf der Bühne ein Frisiertisch mit Spiegel. Dahinter lehnt Er 1  .

Sofort kommt Sie 2 in Unterkleidern herein.

Sie hat ein grünes Kleid über dem Arm. Man erkennt Sie 2 gut wieder.

 

 

Tamara de Lampicka

 

 

© AKG298375_Low_res

 

Er 1        Du bist hier?

Sie 2       Du weißt nicht, wo wir sind?

Er 1        Natürlich, im Museum.

 

Sie 2 kreischt auf mit einem irren Lachen.

 

Sie 2       Nein! Nein! Nein!

               Wir sind in einem deiner Träume, Träume, Träume.

Er 1        Ach, das stimmt. Ich hatte es vergessen.

Sie 2       Du vergisst zu viel zu viel, zu viel.

          Das mag ich nicht.

          Wenn du mich willst,

Wenn du mich willst,

Wenn du mich willst, darfst du mich nicht

Vergessen, vergessen, vergessen.

Er 1        Ich hab' dich nicht vergessen.

Sie 2       "Mann aus Blech, "

"Mann aus Blech, "

"Mann aus Blech," sei still, ich muss mich schmücken,

Muss mich schmücken, muss mich schmücken.

Er 1        Du verwechselst mich doch nicht?

 

Sie 2 setzt sich vor den Spiegel und kleidet sich genau,

wie das Mädchen aus dem Bild. Auch die Perücke hat

die holzspäneartigen Haare.

Sie versucht zwischendurch die Endstellung anzunehmen.

 

Kennst du mich denn schon lange?

Sie 2       Fragst, als wüsstest du nicht,

               Wüsstest du nicht, wüsstest du nicht, wer ich bin.

Er 1        Doch, doch, entschuldige.

               Du bist es, die ich liebe, nein, die ich nicht lieben darf.

Sie 2       ...und kann. So ist es recht.

 

Sie 2 ist mit der Garderobe fertig und sitzt genau wie auf dem Bild.

 

Sie 2       Du bist der "Mann aus Blech", der "Mann aus Blech",

               Der "Mann aus Blech" .

               Vom ersten Tag an, Tag an, Tag an,

               Stehst du hinter meinem Spiegel, meinem Spiegel, meinem Spiegel.

Ich bin deine, deine, deine

"Plastikfrau", "Plastikfrau", "Plastikfrau".

 

Sie 2 ganz streng.

 

Sie 2       Jetzt wiederhole: Mann aus Blech und Plastikfrau.

 

Er 1  ganz leise

 

Er 1        Mann aus Blech und Plastikfrau.

Sie 2       Lauter, lauter, lauter!

 

Sie 2 und Er 1  zusammen

 

Sie 2       Mann aus Blech und Plastikfrau,

Mann aus Blech und Plastikfrau,

Mann aus Blech und Plastikfrau,

Sie 2       Die können sich nicht lieben,

          Können sich nicht lieben,

          Können sich nicht lieben!

 

Sie 2 kreischt wieder vor Lachen auf und fällt mit dem Stuhl um.

Sie 2 singt dann weiter.

 

Sie 2       Mann aus Blech,

Mann aus Blech,

Mann aus Blech,

Lässt sich nicht verbiegen, verbiegen, verbiegen.

 

Es wird ausgeblendet.

Er 1  wälzt sich wieder im Bett hin und her.

 

3. Traum:

Er 1 ist wieder im Museum. An der Wand hängt ein

übergroßes, nachempfundenes  Bild der Nana von Manet.

Er 1 läuft erfreut darauf zu.

 

 

Manet Nana

 

 

© AKG46515_Low_res

 

Er 1        Nana, Nana.

 

Stimme von Sie 2 Brauchst du wieder Trost, ein Pflaster?

Sie 2 kommt hinter dem Bild hervor.

Sie ist in allem wie die Nana gekleidet.

In der Hand hält sie ein übergroßes Heftpflaster.

Man erkennt Sie 2 wieder.

 

Sie 2       Soll ich deine Wunden lecken?

 

Er 1        Sieh mich an, ich bin am Ende.

          Alle Ärzte haben heut' geschlossen.

          Ich war überall. Die machen mir nicht auf.

          Die andren lassen sie hinein; mich nicht.

          Ich weiß nicht mehr wohin.

 

Sie 2 legt das Pflaster auf den Boden

und stellt sich wie in dem Bild vor den Spiegel.

 

Sie 2       Ich habe wenig Zeit. Beeil' dich bitte.

Er 1        Womit soll ich mich beeilen?

Sie 2       Stell dich nicht so an!

               Mein Mann kommt jeden Augenblick.

Er 1        Dann hat es keinen Sinn.

Sie 2       Erst recht. Ich hab es ihm versprochen.

               Er soll auch ' was davon haben .

Er 1        Wovon, was denn. Nein , niemals.

Sie 2       Er will uns überraschen,

               Und ich hab' es ihm erlaubt.

Er 1        Das will ich nicht.

               Bevor ich das erlaube, bringe ich mich lieber um.

Sie 2       Er ist doch Arzt. Er kann dich heilen.

Er 1        Er ist Arzt? Das wusste ich ja nicht.

Sie 2       Doch, Er ist Arzt. Das wusstest du natürlich nicht.

               Du kannst es glauben. Glaubst du mir?

               Vertraust du mir? Du, Lieber, leg dich hin. Leg' dich hier hin.

 

Er 1 legt sich auf den Fußboden.

Sie 2 klebt ihm das Pflaster quer über die Brust

und über die Arme, dass er gefesselt am Boden angeklebt ist.

 

Er 1        Was willst du mit mir machen?

          Ist dein Mann kein Arzt? So hilf mir doch.

          Ich kann mich nicht befrein.

          Bist du nicht Nana?

Sie 2       Du bringst alle Leute durcheinander.

          Wie soll man dir helfen.

          Kennst mich nicht 'mal mehr.

          Ich wollte dir doch meine Liebe schenken.

          Schenken, hörst du?

          Sie wär' ein Geschenk gewesen. Was machst du statt dessen?

Na, du lehnst sie ab.

Da soll ich nicht beleidigt sein?

Kommst her und willst ein Pflaster haben. So ein Unsinn.

Aber bitteschön, du hast dein Pflaster.

               Das wird ewig halten.

Er 1        Komm ich nicht mehr los?

Sie 2       Erst wenn du meinen Wunsch erfüllst.

Er 1        Das tu ich nicht.

               Ich will nicht, dass dein Mann uns zusieht.

Sie 2       Der ist blind. Das hatte ich dir nicht gesagt?

 

Sie 2 lacht.

Der ist ganz blind. Den muss ich führen. Also machst du's nun?

 

Sie 2       Sonst hol' ich deine Frau.

          Du weißt, ich mache Ernst.

Er 1        Ich weiß, ich weiß, ich weiß!

               Ich darf euch jederzeit besuchen?

Sie 2       Ja, das Kind und mich.

Er 1        Es wird aus Fleisch und Blut sein,

          Hast du das bedacht?

          Ich müsste euch auch lieben, und ich weiß nicht wann.

          Ich seh' euch kaum.

          Wie soll ich euch denn lieben ,

          Wenn ich euch nicht seh'.

Sie 2       Mein Mann ist blind! Du kannst doch sehen.

               Siehst du das nicht ein?

 

Er 1 lacht irre.

 

Er 1        Ich weiß es jetzt.

          Dich gibt es gar nicht. Du bist Phantasie.

          Du lügst mich an. Du willst kein Kind von mir.

          Das mit dem Kind von mir, hast du dir ausgedacht.

          Du hast mich einfach festgeklebt, damit ich nicht

          Entkommen kann.

Und ich Idiot fall darauf 'rein.

Ich Idiot, ich Idiot.

 

Es wird ausgeblendet.

Sie1 weckt Er 1 .

Sie1 steht auf.

 

Sie1        Du träumst schon wieder. wach doch auf.

Er 1        Hab' ich gesprochen?

Sie 1       Nein, du hast mich aufgeweckt.

               Ich hab' kein Wort verstanden.

 

Beide werden ganz ausgeblendet.

 

 

3. Akt, 4. Bild, "Es soll nicht sein"

Bahnhofshotel

Im Foyer eines Bahnhofshotels.

Sie 2 und Er 1  kommen herein.

 

Sie 2       Als du mich heute Abend anriefst,

               Wusste ich, dass du nicht fliehen würdest.

Er 1        Meinst du es war Flucht?

               Ich war verreist. In einer andren Stadt.

               Da gab es was zu sehen. Weiter nichts.

Sie 2       Gib's zu, du warst verärgert.

               Aber jetzt ist alles gut.

 

Sie gibt ihm einen Kuss.

 

Er 1        Es stimmt. Wir haben uns noch nicht einmal begrüßt.

 

Er umarmt und küsst sie.

 

Er 1        Ich war verärgert. Weißt es sicher längst:

Ich hab' mit deinem Mann gesprochen.

Sie 2       Weiß ich.

Er 1        Eigentlich hat er mit mir gesprochen.

 

Sie 2 lacht. Beide setzen sich.

Sie bestellt etwas zu trinken.

 

Sie 2       Bitte zweimal etwas ohne Alkohol.

 

Pause.

 

Sie 2       Das hat dich gleich so krank gemacht,

Dass du heut' fehlen musstest?

Er 1        Hast du wirklich diesen Brief geschrieben?

Sie 2       Hat mein Mann ihn dir gezeigt?

Er 1        Dann weißt du also doch nicht alles?

          Ja, er hat ihn mir gezeigt.

          So ähnlich war es jedenfalls.

Sie 2       Wenn er den richtigen genommen hat,

          Dann ist er wohl von mir.

          Du brauchst ja nichts dazu zu sagen.

          Diese Nacht gehört uns beiden.

Er 1        Als ich anrief, hat dein Mann da zugehört?

Sie 2       Du hast doch selber erst mit ihm gesprochen.

          Nein, er hat nicht zugehört.

          Er ist dann 'rausgegangen.

 

Sie lacht wieder.

 

Sie 2       Weißt du, was er neulich zu mir sagte, So aus Spaß?

Er 1        Woher wohl, nein.

Sie 2       Er hat gesagt,

          Wenn ich mit dir zusammenkäme,

          Würde ich sofort von dir ein Kind bekommen.

          Ja, er sagt, das sieht man dir schon an.

          Er sagt, du siehst schon danach aus.

Er 1        Ich sehe danach aus?

 

Sie 2 lacht ganz unverschämt.

 

Er 1        Und woran sieht man das?

Und warum hat er das zu dir gesagt?

 

Sie 2 legt sich selber den Finger auf den Mund.

 

Sie 2       Er kennt doch meinen Wunsch!

               Und du, als Skorpion, bist voller Leidenschaft,

 

Sie kommt nah an ihn heran.

 

Sie 2       Bist voll Begehren, bist voll Eifersucht.

Und was du anfängst, machst du ganz.

               Wer sich auf dich verlässt, ist nicht verlassen.

Er 1        Nur am Anfang hapert's also.

Sie 2       Ganz genau so ist es.

Er 1        Von der Löwin hat er nichts gesagt?

Sie 2       Nein, das hab' ich zu ihm gesagt.

Er 1        Und was?

Sie 2       Die Löwin lässt von ihrer Beute nicht.

 

Sie lacht.

 

Sie 2       Und die bist du, mein Lieber, Lieber, Lieber.

Ach, ich freu' mich so.

Mein Glücksrad dreht sich wieder.

Er 1        Und was sagt dein Mann dazu?

               Ich mein', dass wir uns treffen?

 

Sie ist verärgert.

 

Sie 2       Was sagt dein Mann, dein Mann, dein Mann!

               Was sagt denn deine Frau dazu?

Er 1        Du weißt, dass sie nichts weiß.

          Ich will auch nicht, dass sie davon erfährt.

          Bei euch ist das doch anders.

 

Sie 2 ist wieder freundlich.

 

Sie 2       Er hat doch mit zugehört.

               Ich glaub', ich hab' ihn sehr verletzt.

 

Pause.

 

Sie 2       Sag' nicht, dass er dir leid tut!

Er 1        Eben, auf der Rückfahrt,...

Sie 2       Nein, erzähl nicht weiter.

Irgendetwas ist schon wieder zwischen uns.

Das spür' ich ganz genau.

Er 1        Es bleibt dabei: wir nehmen uns ein Zimmer.

          Aber eine Frau, ich kenn' sie gar nicht,

          Hat mich angequatscht:

          "Sie sind wohl in Geschäften unterwegs.

          Sie kenn' mich gar nicht?

          Ich bin ihre Nachbarin. Drei Häuser weiter.

          Ist nicht schlimm. Wir haben's gleich geschafft."

Sie 2       Na und?

               Sei stolz auf dich.

Das erste Mal in deinem Leben bist du drauf und dran

Von ganz alleine einen Schritt zu machen.

          Von alleine!

          Lass die Nachbarin doch reden.

Er 1        Kurz bevor wir hielten, kam ein Mann dazu.

               Den hab' ich nie gesehen.

Sie 2       Und?

Er 1        Der hat mich angestarrt, als käme ich vom Mond.

               Der wollte, dass ich grüße.

Sie 2       Und?

Er 1        Ich hab' gegrüßt. Da war der ganz erleichtert,

          Hat mir gleich die Hand geschüttelt:

          "Gute Weiterfahrt" und all so' n Zeug's

          "Und schöne Grüße..."

          Weißt du, langsam geb ich' s auf.

          Ich mag jetzt bald nicht mehr.

Sie 2       Du machst dir noch Gedanken über diese Witzfiguren.

               Denkst du einmal nur an mich?

 

Pause.

 

Sie 2       Ich habe meinen Mann verlassen.

 

Pause .

 

Er 1        Das versteh' ich nicht, Was soll das heißen:

               "...habe meinen Mann verlassen."

Sie 2       Habe ihn verlassen. Weiter nichts.

          Hab' ihm gesagt, dass ich ihn jetzt verlassen werde.

          Habe auch gesagt, warum.

          Dass ich mit dir zusammenziehen werde.

Er 1        Heute Nacht und morgen.

 

Sie gibt ihm einen Kuss.

 

Sie 2       Es ist gut, du Lieber, Lieber.

Er 1        Das sind alles Zeichen gegen mich,

               Es soll und soll nicht sein.

 

Sie 2 schreit plötzlich auf, dass das ganze Foyer sekundenlang erstirbt.

 

Sie 2       Es soll, es soll, es soll!!

 

Sie 2 jetzt ganz gefasst und messerscharf zu ihm.

 

Sie 2       Es soll, es soll, es soll.

               Jetzt machst du, was ich sage!

Er 1        Gut wir nehmen uns ein Zimmer.

Sie 2       Nein, wir bleiben hier.

               Wir bleiben hier in dem Hotel.

Er 1        Das wird doch viel zu teuer.

               So viel Geld hab' ich nicht mit.

Sie 2       Du kannst dir jeden weiteren Gedanken sparen.

               Meld' uns an.

               Ich will es jetzt zu Ende bringen.

               Meine Energie reicht für uns beide.

Er 1        Gut, in Gottes Namen, meinetwegen.

Sie 2       Der wird es nicht ändern.

Er 1        Frag' , ob die noch frei sind.

               Schreib' den Meldeschein.

 

Sie gehen zur Rezeption,

Sie 2 ist eng an seiner Seite.

 

Rez         Wir haben Doppelzimmer frei.

               Es ist schon spät. Hier ist der Meldeschein.

 

Er 1  füllt ihn aus und gibt ihn zurück.

Die Rezeption reißt ihn gelangweilt durch.

 

Rez         Sie sind aus dieser Stadt?

Er 1        Ja, beide.

Rez         Tut uns leid.

               Dann dürfen wir Sie hier nicht übernachten lassen.

Er 1        Das versteh' ich nicht, warum denn nicht?

Rez         Man hat uns leider dazu angewiesen.

          Von der Direktion, verstehen Sie?

          Den anderen Hotels in dieser Gegend

          Ist es ganz genau wie uns verboten.

 

Beide verlassen das Hotel. Die Bühne dreht sich.

beide sind auf der Straße.

Es ist eisig kalt.

 

Sie 2       Die sind total verrückt.

               Nur wegen dieser Gegend.

               Was ist los mit dieser Gegend?

Er 1        Kannst es dir doch denken.

               Woll'n nicht, :

               Dass man bloß 'mal absteigt.

               Sind ' was Besseres.

Sie 2       Wir suchen uns ein andres Zimmer.

               Weiter außerhalb.

Er 1        Für mich ist Schluss. Das war die dritte Warnung.

               Nichts wird mich mehr dazu bringen.

 

Sie 2 fängt an zu weinen.

 

Sie 2       Siehst du nicht, wie ich nun dasteh'?

          Wohin soll ich jetzt.

          Ich hab' doch meinen Mann verlassen.

          Wie soll ich ihm das erklären.

          Lass uns doch woanders hin, ich bitte dich.

Er 1        Ich hab' es so gemacht, wie du es wolltest.

               Nein, ich kann nicht mehr und will nicht mehr.

 

Sie 2 wird erschreckend wütend.

 

Sie 2       Du hast das alles wieder eingefädelt!

 

Er 1 weicht zurück.

 

Sie 2       Quälen willst du mich! Schon wieder!

          Und ich dumme Kuh, so dumm, so saudumm wie ich bin,

          Fall darauf 'rein!

 

Sie schreit ihn an:

 

Sie 2       Du Schwein, Sadistensau!

Er 1        Das kenn' ich schon von dir.

          Ich kann nicht mehr.

          Vergiss mich bitte, bitte...

 

Er 1  geht. Sie ruft hinterher.

 

Sie 2       Lauf mir nie wieder über'n Weg!

               Du Schwein, du Schwein, du Schwein!!

 

Sie bleibt vor einer großen Fensterscheibe

 stehen, in der er sich spiegelt.

Er 1  steht unentschlossen in der Bahnhofstür

und sieht zu ihr zurück. Er sieht nur ihren Rücken.

 

3. Akt, 5. Bild, "Freiheit, oder Mord auf Raten"

Büro im Spinnennetz

Im Büro. Von der Decke hängen grellbunt ausgestrahlte Spinnweben.

Es ist ein Wald voller Spinnweben.

Er 1  ist im Büro. 

Sie 2 kommt grade herein. Sie können sich nicht sehen.

 

Er 1        Was ich ihr empfahl, empfehl' ich mir nun selber.

Sie 2       Was denn?

Er 1        Bist du hier? Was machst du. Siehst du mich?

               Du kannst mich hören?

Sie 2       Ja, ich hör' dich, aber seh'n kann ich dich nicht.

               Wo steckst du denn.

Er 1        Hier drüben.

 

Sie irren herum, ohne sich zu finden. 

 

Er 1        Habe mir empfohlen dich nun endlich zu vergessen,

            Und ich schaff' es nicht.

Sie 2       Hast du das denn erwartet?

Er 1        Nein, genau genommen nicht. Natürlich nicht.

Sie 2       So ist das. Siehst du, so ist das, mein Lieber.

 

Pause. Etwas ironisch.

 

Sie 2       Das ist Schicksal. Wir sind Schicksal füreinander.

Er 1        Schicksal? Meinst du das?

               Das hab' ich nie bedacht.

 

Pause. Dann erfreut.

 

Er 1        Ich freu' mich, dass du mit mir sprichst.

Sie 2       Warum denn nicht?

Er 1        Nach dem, was gestern war?

Sie 2       Es war doch nichts Besonderes.

Er 1        Dann bist du mir nicht böse? Du verzeihst mir?

 

Sie 2 hat einen frohen Ton in der Stimme.

 

Sie 2       Wo's doch gar nichts zu verzeihen gibt?

Er 1        Ich hab' dir gestern lange nachgeseh'n.

Sie 2       Ich weiß. Ich hab' dich auch geseh'n.

               Ich dachte auch, du würdest dich besinnen.

Er 1        Dachtest du, ich käm' zurück?

Sie 2       Ich hab's gehofft.

Er 1        Wie konntest du mich sehen?

Sie 2       War doch leicht.

               Ich stand vor einer großen Fensterscheibe.

               Die gab alles wieder.

Sie 2       Du hast mindestens noch eine halbe Stunde      

               Drüben in der Bahnhofstür gestanden, stimmt's?

               Ich hab' dich ganz genau geseh'n.

 

Sie lacht. Er 1  sucht sie weiter.

 

Er 1        Ich find' dich nicht.

 

Er 1 lässt sich nieder und gibt das Suchen auf.

Er wischt sich die Spinnweben vom Gesicht.

 

Er 1        Wie schön dein Lachen klingt. Ich lieb' es so.

               Du weißt nicht, wie mich das erleichtert,

               Was du sagst.

Sie 2       Da drüben hattest du doch nur den Rückenakt der Dame.

Er 1        In der Bahnhofstür?

               Ja, mehr war nicht von dir zu sehen.

Sie 2       In der Fensterscheibe...

Er 1        Bist du wirklich nicht mehr böse?

Sie 2       War ich nicht und bin es nicht.

Er 1        Was war mit deinem Mann?

Sie 2       Der fand es gut,

 

Pause

 

Sie 2       Dass ich so schnell nach Hause kam.

 

Sie lacht wieder.

 

Sie 2       Das stimmt ja gar nicht.

          Nein, er war nicht da.

Er 1        Nicht da?

Sie 2       War ausgegangen. Was weiß ich wohin.

Er 1        Kein Kommentar von ihm? Heut' morgen?

Sie 2       Nein. Er hat gesehen, dass ich wieder

               In den eigenen vier Wänden war.

Er 1        Dann kennt er das von dir?

Sie 2       Vielleicht. Na gut, ich hab's schon 'mal gemacht.

 

Sie findet ihn jetzt und umfasst ihn von hinten.

 

Sie 2       Du Lieber, Lieber, Lieber.

          Alle Liebe, die ich für dich habe,

          Meine ganze Liebe, ist das Gegenteil von Tod.

          Sie ist lebendig, springlebendig.

 

Sie2  küsst ihn in den Nacken. Er legt seine Arme nach hinten um sie.

 

Sie 2       Ich verlang' nicht viel von dir.

               Du bist kein Seelenarzt.

Er 1        Warum?

Sie 2       Du darfst mir nicht verschreiben, ja verschreiben

          Was ich mit Gedanken und Gefühlen,

          Ob für dich, für mich zu machen habe.

          Das ist meine Sache.

Er 1        Tu ich das? Irrst du dich nicht?

          Ich finde unsre Liebe ist ein ungeheurer Widerspruch:

          Ich, der ich alles tu, dich zu vergessen,

          Werde dich in meinem Leben nie vergessen können.

          Und grad' ich hab' dir gesagt: Vergiss mich, bitte.

          Alles nur aus Liebe, alles nur aus Liebe.

Sie 2       Ich mit meiner Liebe...

Er 1        Und mit deiner Freiheit.

Sie 2       Ich mit meiner Liebe und mit meiner Freiheit,

          Fordere von dir dieselbe Liebe, die ich geben will,

          Aus Liebe, alles nur aus Liebe.

          Denkst du, wenn du ganz verzichtest,

          Wirst du auch vergessen können?

          Welch ein dummer Irrtum.

          Welch ein hochpolierter Unsinn.

Er 1        Und du denkst, man muss nur alles fordern.

Sie 2       Wenn man liebt, dann ist es das.

               Ein Kind von dir zum Beispiel.

 

Sie 2 küsst ihn wieder.

 

Sie 2       Ja, ein Kind zum Beispiel.

Er 1        Wenn man liebt, bekommt man alles?

Sie 2       Ja, glaubst du noch immer nicht daran?

Er 1        Ich habe einen Glauben.

Sie 2       Hab' ich auch, wir beide: Du hast deinen, ich hab' meinen Glauben.

               Über Glauben muss man reden können.

 

Sie lacht.

 

Sie 2       Und mein Glaube, glaub' ich, ist für beide gut.

          Hab' ich dich überzeugt?

 

Sie wird wieder ernst.

 

Sie 2       Wir wären ja verurteilt stillzustehen,

          Wenn wir über unsren Glauben

          Nicht mehr sprechen könnten.

          Alle Kriege sind aus diesem Grund am Leben.

Sie 2       Alle Menschen müssen sehen und erkennen lernen,

               Dass sie aufeinander angewiesen sind,

               Zum Beispiel.

Er 1        Weißt du, das klingt gut, passt immer,

          Und für beide Seiten.

          Man hat immer recht damit.

          Kein Mensch wird das bestreiten.

          Ich am wenigsten.

 

Sie 2 springt auf.

 

Sie 2       Du machst mich rasend!

          Merkst du nicht, dass alles, was du redest, redest, redest

          Eine Zucht aus irgendeinem Schrebergarten ist?

          Der Glaube, unsre Liebe, Hoffnung

          Wachsen doch in Wahrheit wild!

          Die kann man nicht begießen

Und an Stöckchen binden und beschneiden,

Dass sie grade wachsen.

Schön, und brav und ordentlich.

Die wachsen auf in Freiheit! Freiheit!

Weißt du, was das ist?!

F! R! E! I! H! E! I! T!

So buchstabiert man das!

In Freiheit!

Glaube, Liebe, Hoffnung

Haben doch denselben Boden, alle drei!

Die Wurzeln ähneln sich

Und wachsen ineinander!

Das ist doch kein Zufall!

Sie bedingen sich einander,

Und ich kann sie nicht in meiner Seele

Voneinander trennen.

 

Er 1  schweigt betreten.

 

Sie 2       Ich bin voller Trauer, denn ich seh',

          Dein Glaube schließt die Liebe aus.

          Du. lebst zwar auch in einer Wildnis,

          Aber die ist karg und unfruchtbar.

          Dein Weg ist völlig fremd für mich.

          Du bist voll Widerspruch.

          So vieles machst du nur,

               Um ausgetret'ne Pfade zu vermeiden,

               Und in Wahrheit trittst du sie wie all die andren aus.

Du siehst nicht links nicht rechts davon.

Und was noch viel, viel schlimmer ist,

 

Pause

 

Er 1        Noch schlimmer? Was ist das?

Sie 2       Dein drittes Auge, das nach innen schaut,

               Nach innen schauen soll,

               Hast du dir scheint es, ausgestochen.

Er 1        Neulich hat dein Mann zu mir

               Von deinem Innenmund gesprochen,

               Dass der nach mir ruft.

               Du kämpfst um etwas, ist es so?

Sie 2       Du siehst ja nicht, wohin du gehst,

               Wohin du dich bewegst,

Ich meine innerlich.

Du bist ein blindes "Ich".

 

Sie lacht.

 

Sie 2       Soll ich vielleicht auf dich verzichten?

Woll'n wir eine ideale Liebe machen?

Liebe ohne Sex: Nur mit dem Kopf?

Von Herz zu Herz? Kein bisschen tiefer?

 

Sie schreit ihn an.

 

 

Sie 2      Ich will keine Selbstverstümmelung.

Sag' mir, sag' mir,

Was muss ich machen,

Dass du meiner Liebe endlich glaubst.

Er 1       Du. zwingst mich, etwas anzustreben,

Was ich gar nicht will.

Ich wusste nicht, dass eine Frau, dass du

Noch mehr als Liebe fordern kannst.

Ich dachte, dass du meine Liebe wolltest.

Die hab' ich dir eingestanden,

Tausendfach, mit jeder Handbewegung, jeder Geste.

Sie 2      ...und in dir begraben.

              Dass wir ja nichts davon haben.

Er 1       Dann hast du ein Kind von mir gewollt,

Sie 2      Du Lieber, siehst du nicht,

              Dass ich es mir noch immer wünsche,

              Mehr als ,je zuvor?

 

Er 1       Nein, nein. Ich glaube, du hast jetzt

              Ganz andres vor.

              Das Kind willst du noch immer.

              Ja, da bin ich sicher,

              Doch, das glaub' ich dir.

              Nein, du willst mehr. Du willst noch mehr.

              Du willst noch viel, viel mehr.

              Was du betreibst, in mir betreibst,

              Ist eine ganz bestimmte Art von Mord!

              Ja, Mord willst du.

              Das Schlimme daran ist,

              Dass du es selber gar nicht weißt.

              Du ahnst es nicht einmal.

Sie 2      Das ist doch Wahnsinn!

              Das kann ich nicht wollen.

              Sollt ich wollen, dass du dich

              Vor meinen Augen umbringst? Glaubst du das?

              Kannst du das glauben?

              Nein, das will ich nicht, niemals werd' ich das wollen!

 

Er 1       Du weißt ganz genau, dass ich das deinetwegen

              Schon alleine niemals machen würde.

Sie 2      Und aus keinem andren Grund?

Er 1       Es wächst trotzdem der Wunsch dazu in mir.

              Der Grund liegt auf der Hand.

Sie 2      Du siehst es falsch, ganz falsch.

              Vertrau' mir doch, vertrau' mir doch.

              Es ist nur deine Ohnmacht, weil du nichts

              Dagegen unternimmst.

              Tu doch etwas dafür, dagegen, wie du willst,

Tu etwas, tu doch irgendetwas.

 

Er schreit sie an.

 

Er 1        Ich kann doch nicht, ich darf doch nicht!

               Ich kann doch nicht, ich darf doch nicht!

 

Er springt auf und läuft davon.

 

3. Akt, 6. Bild, "Mord oder Hilfe zum Selbstmord"

Straße

Nachts, auf der hell erleuchteten Straße, gegenüber dem Cafe.

Die Jugendlichen randalieren um einen Sarg herum.

Auf dem steht in großen Buchstaben: S U S I.

Sonst ist es menschenleer.

Die Jugendlichen haben den schwulen Postboten in ihrer Mitte.

Er 1  kommt auf sie zu.

Jugendlicher zum Postboten.

 

Ju           Gib's endlich zu! Du hast sie umgebracht.

Post        Ich war es nicht, nein, glaubt mir doch!

          Ich war es wirklich nicht.

          Ich hätte keinen Grund gehabt!

 

Die Jugendlichen schlagen ihn.

 

Ju           Du warst es doch, du schwule Sau.

Post        Ich bin es nicht gewesen. Hilfe, Hilfe!

               Schlagt mich nicht! Ich war es nicht.

          Ich sag' die Wahrheit! Der da drüben...

          Der da drüben war's!

 

Der Postbote zeigt auf Er 1

 

Ju           Und woher weißt du das? Du lügst uns an.

Post        Ich lüge nicht. Ich hab's gesehn.

          Er hat's gemacht, weil ihr ihn so geärgert habt.

          Ihr wisst doch, neulich Abend.

          Habt die Susi auf ihm krabbeln lassen.

          Habt ihr das vergessen? Ihr seid doch nicht dumm!

          Er war's! Der hat sie umgebracht.

 

Die Jugendlichen stürzen sich auf Er 1 

 

Ju           Wenn du das warst, dann "Gute Nacht"!

Ju           Dann bist du dran!

Ju           Der oder der, das ist uns gleich!

Alle Ju     Wir wollen Rache, Rache, Rache!

          Wer hat unsre Susi umgebracht!

          Sie tanzen um den Sarg herum.

 

Der Postbote und Er 1  sind für sich.

 

Alle Ju     Wir wollen Rache, Rache, Rache!

Wer hat unsre Susi umgebracht.

 

Postbote zu Er 1 .

 

Post        Hau ab, hau ab! Verschwinde!

          Schnell! Ich komm' mit denen klar.

          Die denken jetzt, dass du das warst!

Die sind in Rage. Schnell, hau ab!

Nun, hau doch ab, um Gottes Willen.

 

Der Postbote will fliehen, kommt aber zu Er 1  zurück .

 

Post        Mein Gott, bist du verrückt!

Die bring'n dich um! Dich oder mich.

Die komm'n doch gleich zurück.

Er 1        Die sind verrückt mit ihrer Rattenplage.

Was ist schon passiert.

Post        Das Vieh ist tot. Die trauern.

               Ja, die trauern wirklich! Um die Susi.

               Das sind die von neulich, weißt du das, nicht mehr?

Er 1        Doch, doch. Das sind die Vollidioten.

               Trauern die um diese kleine Ratte?

 

Postbote ist verzweifelt.

 

Post        Mensch, du schaffst es gleich nicht mehr.

               Du musst jetzt laufen, schnell, sie kommen!

Er 1        Hau doch ab! Ich werd' mit denen fertig!

Post        Wahnsinn, Wahnsinn! Die sind außer sich!

               Die wollen Blut, verstehst du nicht?

               Die wollen Blut!

Er 1        Halt's Maul nun endlich!

               Kümmer dich um deine Sachen!

 

Postbote läuft davon.

 

Ju           Die Sau ist weg! Verdammt!

Ju           Er hat gesagt, dass der das war.

Ju           Das könnte stimmen.

 

Zu Er 1  gewandt.

 

Ju           Hast du sie umgebracht? Die Susi?

               Hast du sie gekillt?

Ju           Was sagt er, war er's, oder war's der schwule Hund!

Ju           Der ist jetzt weg.

Er 1        Ich hab' mit eurer Ratte nichts zu tun gehabt.

               Ihr könnt mir glauben.

               Aber hier, ich geb' euch Geld. Kauft euch 'ne neue.

Ju           Habt ihr das gehört?

               Kauft euch 'ne neue sagt der Kerl.

               Mann, das war Susi! War die Susi!

Ju           Sie gibt's doch nicht neu!

 

Ein Jugendlicher hält ihm ein Messer an die Kehle.

 

Ju           Du bist verrückt!

               Du weißt nicht, was du sagst!

               Die Susi war uns mehr wert, als der beste Freund!

               Kapiert?

Alle Ju     Das stimmt. Das stimmt. Das stimmt.

Er 1        Und wenn schon.

Ju           Warst du's, oder warst du's nicht!

Ju           Mach' auf die Dose! Mach' die Dose auf!

          Frag' nicht so lange. Setz doch an! Stoß zu!

          Soll'n uns 'ne neue kaufen, hat der KEr 1 gesagt!

          Noch ein Jugendlicher zückt ein Messer.

Ju           Die Dose mach' ich selber auf!

Alle Ju     Er hat die Susi umgebracht!

          Er hat die Susi umgebracht!

          Wir wollen Rache, Rache, Rache!

          Wollen Rache, Rache, Rache!

Ju           Hat die Susi umgebracht,

               Weil wir sie auf ihn losgelassen haben.

               Stimmt's? Gib's zu!

Ju           Wie der schon aussieht.

               Wie der rumläuft! Ganz aus Blech, der Kerl!

               Den mach' ich auf !

Er 1        Ich gebe gar nichts zu! Ihr seid verrückt!

Ju           Dann war er's also doch!

Alle Ju     Mach' die Dose auf! Mach' die Dose auf!

 

Der Jugendliche sticht zu.

Er 1  bricht zusammen und bleibt neben dem Sarg liegen.

Er 1  ist tot.

 

Ju           War sowieso aus Blech.

               Na, stirbst'e, Blechmann?

 

Die Jugendlichen laufen fort.

 

 

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